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Am 7. Apri machten sich 22 Lernende mit vier Begleitpersonen auf zum Lernenden-Lager von 100pro! Berufsbildung Liechtenstein. Dieses führte die Gruppe zur Hofkellerei Wilfersdorf. Die Idee des Lagers, dass die Lernenden in diesem Jahr aus Liechtenstein zu den Liechtensteins nach Wilfersdorf fahren und vor Ort die Hofkellerei tatkräftig unterstützen, entstand anlässlich eines Besuches der Hofkellerei. Ziel des Lernenden-Lagers ist es, sich mit den anderen Lernenden zu vernetzen, die Sozialkompetenz zu steigern. Mit dem Fokus des gemütlichen Beisammenseins soll auch etwas bewirkt werden. Nach achtstündiger Busfahrt traf die Gruppe in Poysdorf ein, wo sie im Kolpinghaus untergebracht war. «Wir wurden sehr freundlich begrüsst und genossen das bereitgestellte Buffet», so Ivan Schurte von 100pro! An den kommenden Tagen arbeitete die ganze Gruppe an verschiedenen Projekten, dazu gehörten:
Weinbergpflege, Weine katalogisieren, Schreinerarbeiten an der Terrasse und Vorbereitungsarbeiten für den bevorstehenden Event. Das Highlight war am Schluss die kreative Gestaltung des Eingangsbereichs mit drei Weinfässern.
Am Mittwoch stiessen die WKL-Alumni dazu, sie bestaunten die Arbeiten der Teilnehmer und begleiteten das Rahmenprogramm. Über die Familie Liechtenstein wurde in den vergangenen 40 Jahren die ganze Geschichte zusammengetragen, diese wird heute in einer Ausstellung im Schloss Wilfersdorf präsentiert. Der Besuch dieser Ausstellung, welche einen Einblick in die Historie gibt, war somit Pflicht. Das Highlight des Lagers war der Besuch des Gartenpalais Liechtenstein in Wien. «Am Freitag wurden wir von Prinzessin Isabelle von und zu Liechtenstein und Prinz Philipp von und zu Liechtenstein begrüsst. Nach der Führung durch das Gartenpalais durften wir in Gegenwart der Gastgeber einen Lunch in der Hofkellerei des Fürsten von Liechtenstein im Gartenpalais Wien einnehmen, bevor wir uns auf den Heimweg machten», erklärt Ivan Schurte abschliessend. (eingesandt)
Handwerksberufe im Fokus der Oberschule Vaduz
Einen Tag lang durften die Vaduzer Oberschüler bei zehn Berufen so richtig Hand anlegen und in den Betrieben oder sogar direkt auf den Baustellen die Berufe wirklich erleben also den Beruf sehen, riechen und spüren.
Das ist ein wichtiger Schritt für die Berufswahl.
In der dritten Klasse der Oberschule liegt der klare Schwerpunkt auf der Lehrstellensuche.
Dabei lernen die Schülerinnen und Schüler zunächst sich selbst und ihre Stärken kennen.
Dann werden alle möglichen Lehrberufe kennen gelernt.
Bei Betriebsbesichtigungen und natürlich auch während der Berufs-Check-Woche dürfen die
Schüler dann auch vor Ort die
Berufe kurz erkunden, bevor sie
sich für die Schnupperlehren bewerben.
Da sich in den letzten Jahren
immer weniger Schüler für
Handwerksberufe interessieren,
wurde in Zusammenarbeit zwischen der Oberschule Vaduz
und 100 Pro (Wirtschaftskammer Liechtenstein)
ein Projektauf die Beine gestellt, wodurch
die Schüler wieder mehr Lust
am Handwerk finden sollten.
Dreissig Schüler, zehn
Berufe, ein Tag
An nur einem Tag konnten 30
Schüler der dritten Klasse der
Oberschule je drei Handwerksberufe aussuchen,
bei denen sie jeweils 1,5 Stunden selbst Hand anlegen konnten.
Dabei stand das «Tun» ganz klar im Vordergrund.
Filme oder Vorträge über
Berufe anzusehen, kann nie das
Gefühl vermitteln, wenn man
selbst den Hammer schwingt
oder eine Stanzmaschine wie Butter durch 10 mm starkes Metall gleiten lässt.
Zur Auswahl standen die Berufe Maurer und Strassenbauer
bei der Firma Frickbau, Automobilberufe in der Weilenmann Garage, Metallbauer bei Walser und Wohlwend, Landschaftsgärtner bei der Firma Jehle,
die Elektroberufe wurden von Mega
Solutions vorgestellt, die Aufgaben im Detailhandel konnten im Lindamarkt umgesetzt werden und bei der Plättli Ganz konnte der Beruf des Plattenlegers
unter der Leitung von Platta
Heeb und Morina Plattenbelege
ausprobiert werden. Überall
wurden die Schülerinnen und
Schüler von Lernenden und/oder Lehrlingsausbildern
begleitet, unterstützt und ausführlich über den Beruf und die Tätigkeiten informiert.
Den Mittag verbrachten die Schüler im Restaurant Pur, das
extra für diesen Tag exklusiv für die OSV offen hatte.
Dort wurden die Berufe Restaurationsfachfrau/mann und Koch bzw Köchin ausprobiert.
Die Speisen wurden von den Schülern für die
Schüler unter fachkundiger Leitung zubereitet und serviert. Der spontane Applaus nach dem Essen war der beste Beweis für das gelungene Menü.
Ein abwechslungsreicher
und lehrreicher Tag
Die Wege zwischen den verschiedenen Betrieben und
Baustellen wurden zu Fuss bewältigt, und trotz grosser Hitze gab es den ganzen Tag keinen einzigen negativen Kommentar der Schüler.
Ganz im Gegenteil, beim abschliessenden Stimmungsbild
am späten Nachmittag in der Wirtschaftskammer bekamen
alle Betriebe von den Schülern Noten zwischen fünf bis sechs.
Besser geht’s kaum.
Die Schülerinnen und Schüler waren sich einig, dass der
Tag extrem kurzweilig, abwechslungsreich und vor allem
sehr lehrreich war, was ihre Berufswahl angeht. Die meisten
wollen nun in den bevorstehenden Ferien in einen handwerklichen Beruf schnuppern und können sich gut vorstellen, dass auch ihre Bewerbung dann in diese Richtung gehen wird.
Auch alle Beteiligten sowohl die Verantwortlichen bei
100 Pro wie auch die Lehrpersonen und die
Lehrlingsausbildner haben den Tag als sehr
wertvoll erlebt und sind überzeugt, dass es im nächsten
Schuljahr eine Neuauflage geben muss.
Ein herzliches Dankeschön gilt allen Verantwortlichen, die
diesen Tag mitgestaltet und den Schüler diese tolle
Möglichkeit geboten haben. (pd)
Wirtschaftskammer spricht sich für „Professional Bachelour“ aus
Dunja Goop
Im Zuge der sogenannten BolognaReform wurde vor über 20 Jahren beschlossen, dass Studierende von Fachhochschulen und Universitäten ihr Studium mit den akademischen Graden
Bachelor beziehungsweise Master abschliessen.
Bereits seit geraumer Zeit geht in der Schweiz damit ein Diskurs
um die Gleichsetzung von Absolvierenden höherer Berufsbildung einher.
Schliesslich beenden diese ihre Ausbildung an Höheren Fachschulen (HF) nicht mit den international gängigen
Bezeichnungen Bachelor und Master,
sondern beispielsweise als «Dipl. Betriebswirtschaftler HF»oder «Dipl. Technikerin HF». Jüngst hat sich der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV) im Rahmen einer Konsultationsantwortan das Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation einmal mehr für die Titelzusätze «Professional Bachelor» bzw. «Professional Master» ausgesprochen. «Damit sich Jugendliche und ihre Eltern auch künftig fürden berufichen Bildungsweg entscheiden, ist es wichtig, dass dieser Bildungsweg gesellschaftlich eine anerkannte Positionierung erhält», so der Schweizerische Arbeitgeberverband. Das Ansinnen fndet auch jenseits des Rheins Zustimmung, wie eine Anfrage von «Wirtschaft regional» bei der Wirtschaftskammer Liechtenstein zeigt. «Wir unterstützen dieses Vorhaben nicht nur, wir fordern es», betont
WK-Geschäftsleitungsmit glied Ivan
Schurte. «Der Weg, über die Berufsbildung zu einem gleichwertigen Grading zu kommen wie auf dem akademischen Weg, würde die Wichtigkeit beider Wege betonen und den praktischen Werdegang über eine berufiche
Grundbildung stärken.» Mit der Massnahme sei es möglich, wieder ein breiteres Feld an Interessenten für die berufiche Grundbildung zu gewinnen.
Zudem erfolge die höhere Fachausbildung grenznah und berufsbegleitend «das heisst, unser Arbeitsmarktpotenzial wird regional beschult und bleibt dem Werkplatz erhalten»,
so Schurte.
«Keine Konkurrenz, sondern gleichwertiger Teil»
Die Gleichwertigkeit müsse jedochnicht nur aufgezeigt, sondern auch vonder Gesellschaft akzeptiert werden:
«Die Berufsbildung darf nicht als Konkurrenz zum akademischen Weg aufgezeigt werden, sondern als gleichwertiger Teil». Indes fordert Ivan Schurte auch eine vermehrte Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Ausbildungsniveaus sowie eine Stärkung der berufichen Weiterbildung: «Wir müssen uns von alten Bildern lösen und den Weg
der Berufsbildung etwa auch Gymnasiasten aufzeigen.
Die Durchlässigkeit hat in alle Richtungen ihre Gültigkeit.»
Dass etwa Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums über eine Way-upLehre in die Höhere Berufsbildung wechseln oder Lernende via Passerelle den universitären Weg einschlagen,
sei richtig und wertvoll. Zudem solle die Weiterbildung nach der berufichen Grundbildung «als so selbstverständlich erachtet werden wie der Pfichtschulteil».
Ausbildner werden von Wissensträgern zu «Wissensmanagern»
Interview
Französischpflicht, nur noch ein Berufsschulprofil
und 120 Leistungsziele: Künftige KV-Lernende
finden ein ganz anderes Umfeld vor als ihre
Vorgänger. Die Reform ist berechtigt, doch
wurden die Neuerungen zu spät kommuniziert,
meinen Ivan Schurte und Cassandra Senti von der
«100pro»-Berufsbildung.
VON MICHAEL WANGER
«Volksblatt»: Die Schweizerische Konferenz der kaufmännischen Ausbildungs- und Prüfungsbranchen, kurz SKKAB, hat schon vor Längerem eine neue Reform angekündigt. Im August 2023 ist es nun so weit: Die ersten Lernenden starten mit der neuen Reform. Was ändert sich konkret?
Ivan Schurte: Grundsätzlich werden Bildungsverordnungen alle fünf Jahre einmal leicht überarbeitet. Gesamtrevisionen gibt es etwa alle zehn Jahre. In beiden Fällen kommen die verschiedenen Verbände und Gremien zusammen und diskutieren, inwiefern die schulischen und beruflichen Inhalte der Ausbildung des jeweiligen Berufs noch zeitgemäss sind. Bei der aktuellen Reform ist es aber so, dass es rund 20 Jahre her ist, seit der letzten gossen Reform. In dieser Zeit hat sich die Arbeitswelt sehr stark verändert: Vieles ist automatisiert worden, es gibt QR Rechnungen, die Buchhaltung funktioniert anders und so weiter. Die Verbände haben daher beschlossen, das B- und E-Profil bei der KV Ausbildungen aufzulösen. Künftig gibt es also nur noch eine kaufmännische Lehre FZ mit oder ohne Berufsmatura oder eine zweijährige Lehre zum Büroassistenten BA. Gleichzeitig müssen sich die Arbeitgeber neu ausrichten. So gibt es beispielsweise neu circa 120 Leistungsziele, welche die Lernenden während ihrer Lehrzeit erfüllen müssen.
Cassandra Senti: Mit der aktuellen Reform liegen wir wieder bei rund 120 Leistungszielen. So viele waren es früher schon einmal, aber seit der letzten Revision waren es etwa 20 Leistungsziele, je nach Branche etwas unterschiedlich. Hinzu kommt, dass es in der Berufsschule neu keine Fächer im engeren Sinne mehr geben wird, sondern verschiedene Handlung Kompetenzen Bereich . Wenn einer dieser Kompetenzbereiche beispielsweise den Umgang mit Kunden umfasst, übernimmt ein Teil der Deutschlehrer, ein anderer der Englischlehrer und eventuell nochmals einen Teil der Wirtschaftslehrer. Das heisst, es gibt keinen Deutsch- oder Englischunterricht im altbekannten Stil mehr. Das wird für die Lehrpersonen und die Lernenden gleichermassen eine grosse Umstellung.
Was bedeutet das für die Lehrbetriebe?
Schurte: Sie müssen sich Gedanken machen, wie sie alle diese etwa 120 Leistungsziele abdecken können. Es ist Stand jetzt noch offen, wie sie das bewerkstelligen sollen vor allem Kleinunternehmen. Berufsschulen hingegen haben schon damit begonnen, den Lehrplan auf der Grundlage dieser Ziele aufzubauen. Die Uhr tickt: Bis im August müssen Betriebe startklar sein, denn dann geht es los. Das zieht allerdings einen Rattenschwanz nach sich. Dieser beginnt mit der Rekrutierung neuer Lernender. Die meisten Unternehmen haben ihren Nachwuchs bereits unter Vertrag genommen. Dabei wissen weder sie noch die Jugendlichen, welche konkreten Voraussetzungen sie in die Lehre mitbringen müssen. Neu ist zum Beispiel, dass Französisch ein Pflichtfach ist. Senti: Genauer gesagt gibt es zwei Wahlpflichtfächer, von denen beide Französisch beinhalten. Nur das Niveau unterscheidet sich. Die etwas einfachere Variante in Bezug auf das Sprachniveau ist das Wahlpflichtfach «Individuelle Projektarbeit», in dem es hauptsächlich um die Kommunikation geht. Die Reform strebt das Niveau A2 beim Schreiben und B1 beim Sprechen und Verstehen an. Beim zweiten Wahlpflichtfach handelt es sich um das Fach «zweite Fremdsprache», die Französisch ist. Hier beträgt das Niveau meines Wissens B1. Kurzum: Französisch wird künftig Pflicht für alle KV-Lernenden. Wer das nicht möchte, kann alternativ eine Lehre als Büro-assistent oder -assistentin BA antreten. Die Meinungen sind aber gespalten. Die einen Lehrpersonen sagen, dass Lernende künftig einfach mehr lernen müssen, während andere befürchten, dass 70 Prozent der heutigen B-Profil Lernenden die Lehre nach neuem Muster nicht mehr bestehen würden.
Zusammengefasst bringen die Reformen also welche Probleme mit sich?
Schurte: Betriebe haben vielleicht nicht die richtigen Kandidaten eingestellt, sie sind nicht auf die Neuerungen vorbereitet und haben abzüglich der Ferien nur noch vier Monate Zeit, Vorkehrungen zu treffen. Aus diesem Grund haben wir schon erste Anfragen erhalten, ob wir Betriebe mit unserem Betriebscoaching bei der Umsetzung der Reform unterstützen und begleiten können.
Und können Sie die Unternehmen in dieser Sache unterstützen und begleiten?
Schurte: Ja. Wir haben das Glück, dass wir ab Mai einen zusätzlichen Arbeitsplatz besetzen können. Wir sind also bereit.
Senti: Man muss sich aber bewusst sein, dass wir hier nur von der Branche Dienstleistungen und Administration sprechen. Sicher gibt es Vorgaben, die alle Branchen erfüllen müssen, aber die Banken- oder Versicherungsbranche haben von der Betrieblichen Seite teilweise natürlich andere Anforderungen oder Inhalte als wir in der Branche D&A. In der Schule werden die Branchen aber nicht unterschieden. Alle KV-Lernenden gehen gemeinsam in die Berufsschule. Demnach können wir nicht allen Betrieben gleich gut helfen. Das Ganze soll aber kein Vorwurf an Verbände wie etwa die IGKG sein. Ich weiss nämlich, dass sie alles daran setzen, Fragen zu beantworten und an Informationen zu kommen und dem Ausbildungsbetrieb so gut sie können zu helfen. Schurte: Das gilt auch für das Amt für Berufsbildung (ABB). Es macht trotz der widrigen Umstände einen tollen Job und informiert uns und die Betriebe, sobald es Neuigkeiten gibt.
Wieso ist der Zeitplan so eng?
Schurte: Der kaufmännische Beruf besteht aus rund 19 Verbänden. Er ist einer der grösste Berufe der Schweiz. Dazu gehören Branchen wie Banken, Treuhand, Verwaltung und dergleichen. Diese Verbände mussten sich erst finden und ab-schätzen, wie die Arbeitswelt in der Zukunft aussieht. Als dies feststand, entbrannte ein Streit um Grundsatz-fragen wie etwa die Verankerung einer Zweitsprache: Soll dies mit Englisch eine Fremdsprache oder mit Französisch eine Schweizer Landessprache sein? All das bremste die geplante Reform aus. Zudem kam, dass aufgrund der Coronakrise alles sehr lange stillstand. So kam es, dass sie Anfang 2021 noch nicht einsatzbereit war. Tatsächlich sind sich die Verbände auch heute noch nicht bei Allem einig. Der Reformvorschlag erreichte nur eine knappe Mehrheit. Im Idealfall wäre es so gewesen, dass die Reform im Januar präsentiert wird und sie dann im August des nächsten Jahres startet. Für die Betriebe beginnt das Lehrjahr nämlich ein Jahr vor dem ersten Schultag – und zwar mit der Rekrutierung von Lernenden. Das ist nun aber anders. Sowohl beim Beruf Kaufmann/Kauf-frau FZ als auch beim Büroassistent/Büroassistentin BA haben sich die Anforderungen verändert. So bleibt also Schülern, die kaum Französisch sprechen, nur die Möglichkeit, die Ausbildung zum Büroassistent/in BA zu machen oder einen Intensivvorbereitungskurs zu besuchen. Senti: Hier stehen wir genau wieder vor dem Problem, das ich vorhin erwähnt habe: Die einen Lehrpersonen meinen, dass sprachlich weniger begabte Lernende die FZ Lehre mit mehr Aufwand durchaus bewältigen können, während die anderen davon abraten. Aber was führt zu dieser Annahme? Bislang gibt es ja noch keine Erfahrungswerte. Bei der letzten grossen Reform im Jahr 2003 gab es zu diesem Zweck P i l o t k l a s s e n , welche die revidierte Bildungsverordnung zum Vorbild nahmen. Das gibt es dieses Mal aus welchem Grund auch immer nicht.
Wird Französisch also zur Fallnote? Sprich, wer das Fach mit einer negativen Note abschliesst, besteht die Lehre nicht?
Schurte: Nein, das ist kein KO Kriterium.
Sie haben vorhin angesprochen, dass die Lehrbetriebe alle 120 Leistungsziele abdecken müssen. Tun sich Grossbetriebe in diesem Punkt leichter als Kleinbetriebe?
Schurte: Das ist unsere grosse Bau-stelle. Denn wenn ich beispielsweise an grosse Unternehmen wie die LGT oder die Hilti denke, habe ich keine Bedenken. Dort gibt es Berufsbildner- und -Bildnerinnen, die sich dar-um kümmern werden. Bei kleineren Betrieben ist das schon eher ein Problem, zumal die Ausbildner ihre Aufgabe oftmals neben dem Tagesgeschäft wahrnehmen. Sie finden die Zeit schlichtweg nicht, sich mit den Leistungszielen zu befassen und diese später auch mit ihren Lernen-den umzusetzen.
Senti: Zu den neuen Leistungszielen kommen neu circa 60 Praxisaufträge. Solche gibt es je nach Branche schon heute, aber sie lassen sich an einer Hand abzählen. Stand jetzt wissen wir noch nicht, ob es sich bei diesen Auf-trägen um eine Empfehlung oder um eine Pflicht handelt.
Lernenden pro Praxisauftrag 15 Stunden Zeit. Bislang war es so, dass sich die Lernenden diese Zeit während der Arbeit nehmen durften. Das wird jetzt wohl nicht mehr der Fall sein. Hinzu kommt, dass Berufsbildner diese Praxisaufträge wie erwähnt auch begleiten müssen. Schurte: Beim Detailhandel sind Änderungen markanter. Auch ein gewisses Fachwissen und Infrastruktur setzen die neuen Anforderungen voraus. Lernende müssen ihre Praxisaufträge in einem speziellen Computerprogramm dokumentieren. Das heisst, dass die Jugendlichen in ihrem Betrieb künftig einen Computer Arbeitsplatz brauchen. In gewissen Branchen im Detailhandel ist das nicht selbstverständlich. Damit aber noch nicht genug, denn auch das ABB stellt dieses Jahr auf digitale Lehrverträge um. Künftig sind diese also nicht mehr physisch, sondern müssen digital von Stelle zu Stelle weitergereicht werden, bis sie das Amt freigeben kann. Eine weitere Änderung, an die sich die Betriebe gewöhnen müssen. Wir kritisieren aber einmal mehr nicht die Ziele, sondern die Vorlaufszeit.
Können Kleinbetriebe von der Vorarbeit der Grossbetriebe profitieren?
Schurte: Ich denke nicht, dass Grossunternehmen die Arbeit für kleine machen. Jede Firma muss für sich beantworten, wie sie die Leistungsziele und Aufgaben umsetzen kann.
Senti: Das wäre ohnehin schwierig, zumal jedes Unternehmen – auch wenn es sich um dieselbe Branche handelt andere Abteilungen und Aufgabenbereiche hat. Die Massnahmen und Leistungsziele liessen sich also in den meisten Fällen nicht ein-mal annähernd auf andere Betriebe übertragen.
Gelten die neuen Regeln auch für Lernende, die sich bereits in Ausbildung befinden?
Senti: Nein, sie gelten erst für die jenigen, die im August 2023 ihre Lehre starten. Das erste Qualifikations-verfahren nach dem neuen Muster findet also 2026 statt.
Welche Folgen hat es für die Berufswahl, dass sich die KV-Lehre so stark verändert?
Senti: Das kann ich nicht sagen. Es ist zwar möglich, nach der Lehre als Büroassistentin die Lehre als Kauf-frau FZ in verkürzter Form anzuhängen, aber ohne gute Französischkenntnisse ins 2. Lehrjahr mit einemvorgegebenen Sprachniveau einzusteigen, wird wahrscheinlich würde viele schwer.
Schurte: Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass ein BA keine schlechtere Ausbildung ist als ein FZ. Nur sind die Aussichten nach der Lehre etwas anders. Es gibt aber Arbeitsplätze, bei denen ein Abschluss mit Berufsattest gefragt ist. Dazu gehören Arbeitsplätze, die praktisch orientiert sind – also viele sogenannte Repetivarbeiten beinhalten. Die Frage ist nur, ob es auf dem heimischen Markt genügend Stellen für Büroassistenten gibt.
Senti: Das grössere Problem wird wohl, dass viele Leute denken, dass die eine Ausbildung besser ist als die andere. Ein solcher Vorwurf hielt sich auch lange bei den Berufsschul-Profilen: Das B- Profil sei schlechter als das E-Profil. Da-bei fehlte bei ersterem Profil nur das Fach Französisch und einzelne Themen im Fach W&G. Der Rest sowie das betriebliche Qualifikationsverfahren waren dasselbe.
Wie schaffen Sie diesen Vorwurf aus der Welt?
Schurte: Indem wir sagen, dass es die Profile nicht mehr gibt. Das wird sicher einiges an Aufklärungsarbeit mit sich bringen, aber das sind alte Zöpfe, die wir abschneiden wollen und müssen. Viel wichtiger ist es aber, dass wir den Betrieben und Berufsbildnern klar machen, dass sich ihre Stellung dank der Reform nun verändert hat. Früher waren Ausbildner Wissensträger, künftig werden sie Wissensmanager sein. Sie müssen nicht nur mehr Fragen von ihren Lernenden beantworten, sondern ihnen im Zusammenhang mit den Leistungszielen auch über die Schultern schauen und ihnen Auf-träge erteilen. Bei anderen Berufen ist das schon lange Alltag, nur bei den kaufmännischen noch nicht.
Stehen auch in anderen Berufsfeldern Reformen an?
Schurte: Das ist ein laufender Prozess. Der Detailhandel, der in der Schweiz gemeinsam mit dem KV den grössten Berufszweig darstellt, hat gerade eine Revision hinter sich. Die-se Unternehmen mussten wir zeit-gleich auf die Umstellung vor-bereiten. Bei den Mem-Berufen, also etwa Konstrukteur, Polymechaniker und Automatiker stehen die Reformen erst noch an. Diese dürften ebenfalls einen Aufschrei nach sich ziehen. Hier haben wir allerdings das Glück, dass es in dieser Branche sehr viele Grossbetriebe gibt, die sich mit den Neuerungen nicht schwer tun werden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Beispiel Detailhandel gesammelt?
Schurte: Die Detailhändler sind oftmals mit dem Tagesgeschäft beschäftigt. Oftmals reagieren Berufsbildner verdutzt, wenn Lernende mit entsprechend neuen Schulaufträgen auf sie zukommen. Früher wussten Berufsbildner, was ihre Lernenden können müssen, mit der Reform tun sie dies nicht mehr. Ein aktuelles Beispiel: Ein Lernender musste vor Kurzem für die Berufs-schule ein Video zum Wareneingang drehen und schneiden. Sein Berufsbildner wusste weder, welche Kriterien die Aufnahme erfüllen muss, noch wie er sie bewerten muss. Alle Beteiligten befanden das Video für hervorragend, in der Schule reichte es aber nur für die Note 4,1. Nun ist es aber so, dass der Ausbildner die Kriterien auf einem Computerprogramm hätte nachlesen können, für das er von der Berufsschule die Zugangsdaten erhalten hatte. Dennoch wehrt er sich vehement gegen diese neuartigen Aufträge. Damit alles sauber läuft, müssen sich die Lehrlingsverantwortlichen bewusst sein, dass auch sie ihren Beitrag leisten müssen. Immerhin müssen KV Lernende während ihrer Ausbildung über 60 solche Aufgaben umsetzen.
Welche Rolle hat «100pro» in dieser Sache?
Schurte: Wir helfen den Unternehmen dabei, die Reformen umzusetzen und die Lernenden zu begleiten. Das Konzept wird mit uns gemeinsam ausgearbeitet. Unser Auftrag ist es, unsere Partnerbetriebe zu informieren. Die Kür ist, auf Anfragen vorbereitet zu sein. Aufklärungsarbeit leistet das ABB. Sie informiert alle Betriebe, die einen Lehrvertrag abgeschlossen haben.
Berufsmatura in St.Gallen wird flexibler
Das Angebot für die Matura nach der Lehre wird erweitert. Ein berufsbegleitender Kurs ergänzt das Angebot
Jochen Tempelmann
Die Berufsmatura nach der Lehre wird immer beliebter: Vergangenes Jahr erwarben im Kanton St.Gallen gemäss Bundesamt für Statistik 802 Schülerinnen und Schüler das nachträgliche Berufsmaturitätszeugnis via BM2. Hierfür war bislang an den meisten Schulen ein einjähriger Vollzeitkurs notwendig. Nun will der Kanton sein Angebot für die Zukunft rüsten und führt in St.Gallen ein zweijähriges Lehrangebot ein.
Wie das Gewerbliche Berufs-und Weiterbildungszentrum St.Gallen GBS mitteilt, wird das neue Angebot im August erstmals durchgeführt. BM2-flex stellt ein ergänzendes Angebot zur herkömmlichen Berufsmatura dar, das mit vier Semestern doppelt so lange dauert wie das bisherige. Dafür findet Präsenzunterricht nur noch freitags statt.
Ostschweizer Berufsmatura wird vielfältiger
Damit soll ein berufs-, familien- oder sportbegleitender Kurs geschaffen werden, wovon nicht nur die Lernenden, sondern auch Unternehmen profitieren sollen. Es handelt sich dabei um ein Pilotprojekt, welches Teil der IT-Bildungsoffensive ITBO des Kantons St.Gallen ist. Ziel das Kantons ist dabei, die Bildung zukunftsorientiert zu gestalten. Im Vergleich zum herkömmlichen Präsenzstudium sinkt die Anwesenheitszeit. Die Lernenden arbeiten zu einem grossen Teil selbst organisiert sowie orts- und zeitunabhängig, heisst es in der Mitteilung. Mit dem Kurs in St.Gallen nimmt die Angebotsvielfalt in der Ostschweiz weiter zu. In Buchs wird seit kurzem ein einjähriges Angebot mit zwei Tagen Online Unterricht und drei Präsenztagen angeboten. In Wil gibt es ein zweijähriges Angebot mit zwei Abendkursen und einem Präsenztag wöchentlich. In Herisau wird eine dreisemestrige berufsbegleitende Berufsmatura angeboten und im Thurgau gibt es neben dem herkömmlichen Vollzeitmodell ein zweijähriges Teilzeitmodell.
Kritik am «Zusagetag 1. November»
Ivan Schurte: «Bei den einen klingelt es unaufhörlich, bei den anderen nicht»
Jedes Jahr warten Hunderte Schüler gebannt auf den 1. November, denn dann beginnen Grossbetriebe die Zu- und Absagen für ihre Lehrstellen zu erteilen. Ein Modell, das Jugendliche unnötig unter Druck setzt, findet Ivan Schurte, Bereichsleiter «100pro!» bei der Wirtschaftskammer.
«Volksblatt»: Herr Schurte, was stört Sie am «Gentleman’s Agreement» zwischen mehreren Verbänden, Lehrstellen ab dem 1. November zu vergeben?
Ivan Schurte: Ich beginne mit den positiven Aspekten, denn da kann ich mich kurz halten: Das schönste am 1. November ist, dass er vorbei ist.
Wieso?
Stellen Sie sich vor, Paare dürften nur an einem Tag im Jahr heiraten. Das würde automatisch zu Komplikationen führen. In Bezug auf den «Zusagetag 1. November» gibt es also mehrere Punkte, auf die ich gerne eingehen würde. Da wäre erst einmal der historische Hintergrund, warum es diese Übereinkunft zwischen der Arbeitsgruppe Industrielehre (AGIL), der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK) sowie der Treuhandkammer und dem Bankenverband überhaupt gibt. Dann geht es mir um den emotionalen Aspekt als Vater eines Sohnes, der mitten in der Berufswahl steckt. Und natürlich möchte ich auch aufzeigen, was der 1. November für Schüler und Lehrbetriebe bedeutet.
Dann beginnen wir doch mal bei der Geschichte. Wie ist die Idee zu dieser Übereinkunft entstanden?
Das Ganze begann vor rund 20 Jahren. Die Industriebetriebe im Land hatten Schwierigkeiten, alle guten und durchschnittlichen Schüler zu einer Schnupperlehre einzuladen – hauptsächlich bei den Berufen Konstrukteur und Polymechaniker. Damals war es so, dass die Grossunternehmen ihre Bewerber erst «sichten» wollten, sodass sowohl sie als auch die Schüler sich ein Bild machen konnten. Der 1. November verschaffte den Unternehmen somit Zeit, dieses Modell so gut wie möglich umzusetzen.
Warum November? Hätte es die Unternehmen nicht noch mehr entlastet, wenn sie diesen Stichtag nach hinten verschoben hätten?
Diese Idee gab es tatsächlich: Lehrer und Schüler brachten einmal den Vorschlag, den 1. März als Zusagetag festzulegen. Da Liechtensteiner Unternehmen auch auf der Schweizer Seite rekrutieren, wäre März eine noch grössere Reduktion dieser Sperre. Allerdings haben sich viele Mitglieder der teilnehmenden Verbände gegen diese Idee ausgesprochen. Heute steht ein beachtlicher Teil dieser Mitglieder nicht einmal mehr hinter dem 1. November. Dieser Stichtag ist einfach moralisch verwerflich. Tatsächlich ist es sogar möglich, noch im Monat des Lehrbeginns einen Lernenden einzustellen. Ganze neun Monate nach dem Stichtag im November. Solche Fälle gab es bei der «100pro!»-Berufsbildung bereits.
Vor etwa 20 Jahren war es so, dass sich Grossunternehmen schon früh die guten Schüler geschnappt haben, sodass den anderen Betrieben «nur» noch durchschnittliche Bewerber blieben. Hat ein gemeinsamer Zusagetag also nicht auch seine Vorteile?
Die Übereinkunft gilt nur für Banken, Treuhandunternehmen und grosse Industriebetriebe. Die restlichen Unternehmen haben freie Hand. Wir, die «100pro!»-Berufsbildung, haben beispielsweise im August einem Polymechaniker zugesagt. Er hat aber von sich aus gesagt, dass ihm sein Favorit erst am 2. November Bescheid geben wird. Das ist aus unserer Sicht kein Problem: Wir haben ihm diesen «Freipass» gewährt, sodass er sich denjenigen Lehrbetrieb aussuchen kann, der ihm auch am besten passt. Das ist Fairplay. Schliesslich gibt es auch bei der Berufswahl einen Markt, der leben muss.
Wie stehen Sie dem 1. November aus privater Sicht, also als Vater, gegenüber?
Hier kommt wieder das Fairplay ins Spiel. Man muss sich vorstellen, dass am 2. November alle Schüler in der Schule sitzen. Sie warten. Das setzt sie gewaltig unter Druck. Bei meinem Sohn war es so, dass ihm bereits vorher ein Betrieb zugesagt hatte. Er konnte somit entspannt im Unterricht sitzen. Bei zwei seiner Kameraden habe das Handy unaufhörlich geklingelt, bei den anderen nicht. Wo liegt da die Moral? Die einen dürfen sich freuen, die anderen gehen leer aus und jeder in der Klasse bekommt davon Wind. Hinzu kommt, dass es auch schnell die Runde macht, wer von welcher Firma angerufen wurde. Verzichtet der- oder diejenige auf die betreffende Lehrstelle, weiss «der Nächste in der Reihe», dass er nur die zweite Wahl war. Ich frage mich, warum die Betriebe nicht schon am 1. November anrufen. Dann ist ein Feiertag und die Schüler sind aller Wahrscheinlichkeit noch zu Hause. Immerhin sollte die Zusage Teil eines vertraulichen Prozesses zwischen ihnen und dem Betrieb sein. Des Weiteren könnten sich die Schüler zu Hause sogleich mit ihren Eltern beraten.
Ist es nicht ohnehin so, dass die Betriebe ab dem 1. November zusagen und nicht genau an diesem Datum respektive dem ersten Arbeitstag danach?
Ja. Das geht gerne vergessen. Dabei kommunizieren alle Verbände, dass der 1. November nur der Starttag und nicht der Endtag ist. Derzeit sind nämlich noch rund 280 Lehrstellen im Land offen.
Was wäre denn Ihrer Meinung nach die Lösung für das Problem?
Die Unternehmen könnten Bewerbungen beispielsweise erst ab dem 1. September annehmen und nicht schon im August. Dann soll der Markt seine Arbeit tun: Wenn ein Betrieb einen passenden Bewerber findet, muss er nicht lange warten, sondern soll direkt zusagen. Sonst hält er die Jugendlichen unnötig hin. Ich möchte das anhand eines Rechenbeispiels aufzeigen: Ich schreibe eine Lehrstelle für einen Informatiker aus. Dann bekomme ich 35 Bewerbungen. 15 davon fallen aus verschiedenen Gründen schon mal weg, weitere zehn sagen mir ab. Dann sind es noch zehn Bewerber. Fünf lade ich zu einem Vorstellungsgespräch ein, von denen drei schnuppern kommen. Wenn ich jetzt wieder fünf Schülern absage, kann ich mir die Verbleibenden «warmhalten». Es kann gut sein, dass zu diesem Zeitpunkt erst Anfang Oktober ist. Das heisst, dass ich die fünf Favoriten einen Monat warten lassen muss. Das ist doch nicht fair? Diese Wartezeit könnten Betriebe aushebeln, indem sie die Bewerbungsfrist eben erst später ansetzen und auch schneller entscheiden. Auch aus Sicht der Schüler übt dieses Vorgehen unnötigen Druck aus: Wer bei seinem Wunschbetrieb schnuppert, muss sich zur Sicherheit noch weitere Betriebe ansehen, weil er ja nicht weiss, ob er die Stelle bekommen wird oder nicht.
Demnach verschenkt diese Frist wertvolle Zeit?
Genau. Nehmen wir an, dass Anfang November bereits alle Stellen eines konkreten Berufs vergeben sind, müssen sich alle, die leer ausgegangen sind, neu orientieren. Das braucht Zeit. Wann sollen sie das tun? Es haben nicht alle einen Plan B. Mich stört aber noch ganz etwas anderes.
Was denn?
Gewisse Grossbetriebe laden ihre Bewerber in der engeren Auswahl und deren Eltern zu einem Infoabend mit Apéro ein. Abgesehen davon, dass es niemanden etwas angeht, wer sich beim betreffenden Betrieb beworben hat, setzt das die Schüler nur noch mehr unter Druck. So wissen nämlich alle, wer noch mit ihnen im Rennen ist. Gleichzeitig schmieren die Unternehmen den Eltern Honig ums Maul. Das geht einfach nicht.
Wieso halten AGIL, LIHK und Co. Ihrer Meinung nach an ihrem «Gentleman’s Agreement» fest? Diese Kritik wird ihnen sicher schon einmal zu Ohren gekommen sein.
Das hat wohl verschiedene Gründe. Einerseits hat das sicher mit der Vergangenheit zu tun, andererseits stehen sicher noch viele Unternehmen dahinter. Wie eingangs erwähnt, ist diese Übereinkunft inzwischen etwa 20 Jahre alt. Das war damals ganz ein neues Konzept. Die AGIL wurde damals von der Treuhandkammer und dem Bankenverband unterstützt. Das ist an und für sich eine schöne Sache. Es kommt nicht oft vor, dass mehrere Verbände miteinander arbeiten. Es ist auch sinnvoll, die Lehrstellen nicht zu früh zu besetzen – etwa in der Schweiz, wo manche Stellen bereits im August vergeben werden. Ich glaube jedoch, dass sich die Zeiten geändert haben. Damals sah die Berufswahl noch ganz anders aus. Heute haben wir Instrumente wie den «Berufscheck» oder die «NextStep»-Berufsschau. Achtklässler sind heute viel besser auf die Lehrzeit vorbereitet als noch vor wenigen Jahren.
Haben Sie dieses Thema schon einmal mit den betreffenden Verbänden angesprochen?
Bislang nicht, nur intern. Hierfür muss ich nochmals kurz ausholen: Ich bin Mitbegründer der AGIL. Ich war aber schon immer gegen den «Zusagetag 1. November». Es gab aber einen demokratischen Mehrheitsbeschluss, was für mich in Ordnung war. Ich ging sogar mit auf eine «Werbetour» für diesen Stichtag. Die teilnehmenden Verbände wollten noch andere ins Boot holen – auch über der Grenze. Die Schweizer erteilten jedoch eine Absage, obwohl es manche Unternehmen im Rheintal mal kurz versuchten. Um wieder zu Ihrer Frage zurückzukommen, es gab schon damals Funktionäre, die gegen dieses Konzept waren. Aber eben, es handelte sich um einen demokratischen Beschluss.
Wieso behielten Sie Ihre Kritik für sich?
Es war einfach noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Dieses Jahr sah ich die Problematik aber von einer ganz neuen Seite: aus der Sicht der Eltern. Ich wartete mit meiner Kritik aber bewusst bis nach dem 1. November, denn jetzt ist alles verdaut – Zusagen wie Absagen. Und natürlich wollte ich meine Aussagen intern abstimmen, sodass ich die Wirtschaftskammer mit gutem Gewissen nach aussen repräsentieren kann.
Eine Lösung haben Sie ja bereits vorgeschlagen. Wie könnte man diese anstossen?
Indem man die Schweigenden zum Reden bringt. Viele, die Teil dieses «Gentleman’s Agreements» sind, teilen meine Ansicht. Natürlich dürfen auch Lehrmeister auf mich zukommen, die dieses Jahr keinen Lehrling finden konnten, Eltern, die den Druck auf ihre Kinder wahrnehmen, oder auch Lehrpersonen, die am 1. November mehr weinende als strahlende Schüler im Unterricht hatten. Zu guter Letzt müssen auch die Medien ihren Teil zu diesem Wandel beitragen. Radio und Zeitungen bewarben den Zusagetag bislang kommentarlos.
12 neue Verbund-Lernende in Liechtenstein
Am Montag, 2. August um 8.00 Uhr war es endlich soweit. Zwölf neue Lernende starteten in ihre Verbundausbildung bei 100pro!.
Die Lernenden trafen sich heute in der Wirtschaftskammer Liechtenstein zum kick off ihrer Lehrzeit. Nach der Begrüssung durch den Geschäftsführer Jürgen Nigg und den Bereichsleiter Ivan Schurte wurden die zwölf Lernenden durch Alessio Haas in die Abläufe einer Verbundausbildung eingeführt.
Nach dem gemeinsamen Mittagessen ging es in die Verbundbetriebe wo sie den ersten Arbeitstag in Angriff nahmen. Jeder Lernende wird in 2 bis 3 Betrieben seine Lehrzeit absolvieren. Die erfolgt unter der administrativen Leitung von „100pro! berufsbildung liechtenstein“.
Foto 1: v.l.n.r. Ritter Tobias (Schreiner), Müller Benjamin (Informatiker), Neukom Laurin (Schreiner), Keel Niklas (Gebäudeinformatiker), Ajdari Elma (Kauffrau), Guerra Léonie (Sportlehre Kauffrau), Beck Michelle (Kauffrau), Hoop Leonie (Kauffrau), Gritsch Marie (Sportlehre Kauffrau), Beck Laura (Kauffrau), Marxer Selina (Kauffrau) und Rinderer Mia (Kauffrau)
Start mit Rekordteilnahme
Im ICT Campus ST.Gallen tüfteln technikbegeisterte Jugendliche an ihren eigenen Projekten.
Kaspar Enz
«Start» steht auf dem Schacht, auf zwei Seiten steckt ein Stück Alufolie drin. Ein Mädchen hält eine mit noch mehr Alu verkleidete Murmel zwischen die Folien. Die sind mit einer Schalttafel verbunden, diese wiederum mit einem Computer. «4, 3, 2, 1», tönt der Countdown. «Das haben wir selber aufgenommen.» Sie lässt die Kugel los, die rollt der Chügelibahn aus Karton entlang um eine Kurve nach unten, dort warten wieder zwei Kontakte. Trifft die Kugel, ertönt Jubel. Wenn’s denn klappt, noch rast sie übers Ziel hinaus. Nun sind noch einmal Bastelfähigkeiten gefragt.
Es ist der erste Tag des ICT Campus in St.Gallen. Um die 30 Siebtklässlerinnen und -klässler basteln Chügelibahnen, bauen Kontakte ein und programmieren mit einem einfachen Programm Effekte auf dem Computer. Viele werden wiederkommen, alle zwei Wochen, um weiter zu tüfteln. Rund 60 Prozent bleiben, so der Erfahrungswert in den bestehenden Campus, bis ans Ende der obligatorischen Schulzeit. «Wir müssen kaum je jemanden wegschicken. Diejenigen, die die Motivation haben weiterzumachen sind meist auch die Richtigen», sagt ICT-Scouts-Sprecher Dominik Strobel.
An Projekten arbeiten, Robotik, Technik, Informatik. Selbst welche entwickeln. So entsteht ein Ausweis, der künftigen Lehrbetrieben in der Informatik und technischen Branchen zeigt, was die Schulabgänger draufhaben.
Rekordteilnahme an der Premiere
Es ist schon der fünfte ICT Campus, der in der Schweiz eröffnet wurde. 2016 startete der erste in Muttenz bei Basel. Es folgten Zürich und Bern. Im Oktober eröffnete Lenzburg, heute begann das Programm in St.Gallen. Mit einer Rekordzahl an Teilnehmern. «Normalerweise starten wir mit etwa zehn Talenten», sagt Sprecher Dominik Strobel. Für die Eröffnung in St.Gallen wurden 57 eingeladen, rund 30 erschienen an der Eröffnung. Normalerweise nehmen etwa 80 Prozent die Einladung an, dass etwas weniger kamen, könnte an Corona liegen, gibt Cornelia Gut zu bedenken. Sie leitet das Smartfeld, Teil des Innovationszentrums Startfeld in St.Gallen, wo der ICT Campus eine Heimat gefunden hat.
Trotzdem ein Rekord. Die Scouts seien von den Ostschweizer Schulen unkompliziert und mit offenen Armen empfangen worden. «Das hat uns überrascht. Die Resonanz ist nicht immer so gut.» So waren die Talentsucher des ICT Campus bereits in vielen Schulen unterwegs. Bis Ende Jahr stehen weitere Klassen auf der Agenda.
Die Scouts gehen jeweils zu zweit in Schulklassen. Die Siebtklässler sollen ein Spiel programmieren. Dabei gehe es weniger um das Ergebnis, als darum, Forschergeist zu wecken und zu entdecken. Dabei scouten sie auf allen Schulstufen. Und während viele Projekte, die Kinder für technische Berufe begeistern wollen, vor allem Knaben finden: Knapp die Hälfte der Talente, die in den ICT Campus ihren Projekten nachgehen, sind Mädchen. Am ersten Tag in St.Gallen stellten sie sogar eine knappe Mehrheit. «Wir finden sie, in dem wir nicht nach ihnen suchen», sagt Strobel – jedenfalls nicht gezielt.
Teil der IT-Bildungsoffensive
Die Projekte, an denen die Schülerinnen und Schüler im ICT Campus selbständig arbeiten, vereinfachten den potenziellen Ausbildungsbetrieben die Lehrlingssuche, ist Strobel überzeugt. So könne man Stärken und Interessen besser erkennen als mit herkömmlichen Methoden. Einige Unternehmen aus dem Informatik-Bereich hätten bereits zugesagt, den St.Galler Campus als Mitlgieder zu unterstützen. Wichtig seien diese nicht nur als Lehrmeister – der Campus soll zu einem guten Teil privat finanziert werden.
Mit dem Startfeld und dem Verein IT rockt! hat der ICT Campus lokale Partner, die gut mit der Wirtschaft vernetzt sind. Doch auch Verwaltung und Politik schauen wohlwollend auf das neue Angebot im Smartfeld. So sandten die Nationalrätin Franziska Ryser und der Leiter der Dienststelle Schule der Stadt St.Gallen ihre Grüsse – per Video, was in Coronazeiten kaum noch überrascht.
Regierungsrat Stefan Kölliker nahm am Samstag selbst einen Augenschein. Für ihn als Erziehungsdirektor sei der Campus ein Baustein der IT-Bildungsoffensive. Er schaut interessiert auf die Experimente der Jugendlichen. Für ihn selber wäre das damals aber wohl nichts gewesen, sagt er. «Die Kompetenzen, die hier gefragt sind, gingen mir ab. Aber wenn mein Sohn ein Jahr jünger wäre, wäre er hier am richtigen Ort.»
Etablierte Elite-Sportschule
Vor Fünf Jahren schloss die erste Klasse die United School of Sports ab. Ein Blick in die Vergangenheit und Zukunft.
Fusballerin Noëlle Maritz, Hürdenläuferin Larissa Bertényi, Unihockeyspieler Claudio Mutter und Fussballer Silvan Hefti: Sie alle haben es mindestens an die nationale Spitze geschafft. Eine Gemeinsamkeit auf ihrem Karriereweg: Sie haben die United School of Sport in St.Gallen absolviert.
Im Jahr 2011 eröffnete die Privatschule in St.Gallen nach Zürich ihren zweiten Standort, 2015 schloss die erste Kalsse die Ausbildung ab. Seither hat sich einiges verändert. Der Start in St.Gallen war ein Stück weit eine Reise ins Ungewisse. Die Nachfrage nach einer Eliteschule für Sportler war in der Region zwar vorhanden. Doch mussten die Verantwortlichen anfänglich ein funktionierendes Netzwerk etablieren. Das klappte erstaunlich rasch, weil die Schule von Beginn weg auf Partner wie den FC St.Gallen oder den LC Brühl zählen konnte.
Richtig in St.Gallen angekommen ist die United School of Sport dann vor sechs Jahren. Damals stand der Umzug aus der Altstadt in die neuen Räumlichkeiten hinter dem Hauptbahnhof an. «Es war ein gute Gefühl, endlich ein eigenes Heim zu haben », sagt Simon Massari. Er hat die Schule in St.Gallen aufgebaut und bis 2019 geleitet.
Die Möglichkeit, zweigleisig zu fahren
Das Konzept der United School of Sports ist im Grunde simpel: Hochbegabte Sportlerinnen und Sportler profitieren von optimalen Trainingsbedingungen und machen gleichzeitig mit einer kaufmännischen Ausbildung den ersten Schritt ins «normale» Berufsleben. Talentierte Nachwuchsathleten erhalten so die Möglichkeit auf den Sport zu setzen, ohne dass sie, falls es doch nicht ganz reicht, mit leeren Händen dastehen. Auch für Talente aus finanziell wenig ertragreichen Sportarten ist die Schule damit eine reizvolle Option;in St.Gallen absolvierten in den letzen Jahren auch Orientierungsläufer, Judokas und Basketballer die duale Ausbildung.
«Die Schule soll ein Gefäss für Toptalente bleiben.»
Andreas Masina
Schullteiter
Der Aufnahme an der Schule geht ein detailliertes Prüfungsprozdere voraus. Die Bewerber müssen eine Vielzahl an Voraussetzungen erfüllen, sportlich, schulisch und charakterlich. «Die Aufnahmerichtlinien sind klar. Ohne regionale Talentcard ist der Schulbesuch nur in absoluten Ausnahmefällen möglich», sagt Andreas Masina – er hat die Geschicke in St.Gallen vor einem Jahr von Massari übernommen.
Bei den Talentcards handelt es sich um eine Art Sportlerpass von Swiss Olympic, der ein Talent als besonders förderungswürdig ausweist und offiziell bescheinigt, Mitglied eines regionalen Leistungskaders zu sein. Ausserdem beantwortet die Talentcard die Frage nach der Finanzierung: Bis auf eine Semesterpauschale wird alles vom Kanton bezahlt.
Qualität ist wichtiger als Quantität
Das ist mit ein Grund, weshalb Masina keine Wachstumsgedanken für die Schule hegt: «Die Schule soll ein Gefäss für Toptalente bleiben. Die Kantone lassen sich die Ausbildung etwas kosten, was uns verpflichtet, denjenigen die Chance zu geben, die sehr grosses Potenzial haben – und nur denjenigen.»
Auch ohne Wachstumsorientierung warten künftig zahlreiche Herausforderungen auf Masina und sein Team. Aufgrund des Coronavirus ist Flexibilität gefragt. Zudem modernisiert der Branchenverband die kaufmännische Ausbildung im Jahr 2022, was für die Schule ebenfalls zahlreiche Umstellungen bedeutet.
Für das eingangs erwähnte Quartett war die Schule ein Grundstein für ihre erfolgreiche Karriere. Noëlle Maritz wurde mit Wolfsburg deutscher Fussballmeister und Champions-League-Siegierin. Heute spielt sie als Profi für Arsenal. Silvan Hefti war Captain des FC St.Gallen und ist nun bei den Young Boys Stammspieler. Leichtathletin Larissa Bertényi triumphierte mehrfach an den Schweizer Nachwuchsmeisterschaften und startet an Europa- und Weltmeisterschaften. Und Claudio Mutter wurde mit dem U19-Nationalteam zweimal Viezeweltmeister und gehört mittlerweile der Unihockey-Nationalmannschaft an, welche zu den welbesten Teams gehört.