Hausaufgabenhilfe ist sinnvoll

Die Schulleiter der Deutschschweiz fordern die Abschaffung der Hausaufgaben. Als Gründe führen sie insbesondere die Chancenungleichheit unter den Schülern und vermehrte heimische Konflikte an. Wie beurteilen Sie diese Argumente?

Beat Manz: Tatsächlich gibt es soziale Ungleichheiten in dieser Frage und auch Konflikte zwischen Kindern und Eltern wegen der Hausaufgaben. Familien, in denen beide Elternteile arbeiten und zudem eine andere Muttersprache als Deutsch sprechen, vielleicht selber keine gute Bildung erhalten haben, können ihre Kinder bei den Hausaufgaben nicht gleich gut betreuen und unterstützen wie Eltern mit guter eigener Schulbildung und Deutsch als Muttersprache, beziehungsweise guten Deutschkenntnissen. Versuche, die Hausaufgaben abzuschaffen, wurden in den Abstimmungen in der Schweiz bisher mehrheitlich abgelehnt.

Die zu beobachtenden Probleme sind auch Ausdruck einer sich stetig wandelnden Gesellschaft und sich verändernder «Spielregeln» für unseren Alltag. Sind Hausaufgaben da überhaupt noch zeitgemäss?

Manz: In der Tat entwickelt sich die Gesellschaft dahingehend, dass sie verlangt, die Kinder und Jugendlichen an Tageschulen zu unterrichten, beziehungsweise einen Mittagstisch an den Schulen anzubieten. Die Hausaufgaben sollen dann auch gleich in der Schule erledigt werden. Haus

Somit kann man auch nicht mehr von sprechen. Diese Lösung erhöht die Chancengleichheit, entfremdet die Eltern aber ein Stück weit von der täglichen Erfahrungswelt der Kinder. Der Vorteil für die Kinder: Sie haben mit der Schule wirklich abgeschlossen, wenn sie nach Hause kommen. Schule und Freizeit sind so klar unterschieden.

An den Liechtensteiner Primarschule?! beispielsweise gibt es ein solches Angebot in Form der Hausaufgabenhilfe. Eine Einrichtung in Ihrem Sinne?

Manz: Ich halte das für sehr sinnvoll, gerade für die Kinder, die sonst benachteiligt wären.

Die Frage nach einer Abschaffung von Hausaufgaben stellt sich demnach nicht hinsichtlich des zusätzlichen Arbeitspensums für Schüler sondern dahingehend, ob das eigene zu Hause auch immer die besten Rahmenbedinungen für das Lösen der Aufgaben bietet. Sollten künftig also alle Kinder ihre Aufgaben in der Schule erledigen auch zwecks Entlastung der Eltern? Worin bestehen denn die Vorzüge

Manz: Ich finde, die Möglichkeit dazu sollte bestehen, damit Eltern sich entlasten können, wenn es nötig ist. Die Schule sollte ein gutes Angebot beaufsichtigter Aufgabenstunden machen. Es ist schwierig, dies an jedem Tag für alle einzurichten, weil einige Schülerinnen und Schüler länger Unterricht haben als andere. Meines Erachtens wird das an den Liechtensteiner Schulen aber gut gelöst.

von Hausaufgaben? Inwiefern profitiert das Kind von ihnen?

Manz: Kinder lernen Aufgaben selbständig zu lösen und gewinnen dadurch Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten. Sie fördern ihr Gedächtnis, weil sie an einem anderen Ort sich nochmals an das Gelernte erinnern sollen. Erst mit dem eigenständigen Lösen einer Aufgabe merken sie, ob sie den Stoff auch wirklich verstanden haben. Zuhause können sie das, fern von jedem Gruppenvergleich, in ihrem Tempo tun. Zudem gibt es Lernstoff, der allein besser gelernt werden kann als in der Klassengruppe, zum Beispiel die Wörter einer Fremdsprache. Allerdings wird gemäss wissenschaftlichen Untersuchungen der Wert des Lernens während der Hausaufgaben oft überschätzt. Die Hausaufgaben haben aber noch einen anderen Zweck, den ich bereits kurz angetönt habe: Sie sollen den Eltern einen Einblick darin geben, was ihr Kind aktuell in der Schule lernt und wie es den Stoff bewältigt. Das kann die Gespräche zwischen Eltern und Lehrkräften hinsichtlich des Leistungsstandes und der Begabung des Kindes erleichtern.

Sie sprechen die Förderung der Selbstständigkeit eines Kindes an.

Bis zu welchem Grad ist Betreuung da noch im Sinn der Sache?

Manz: Für das Kind sollte es die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen. Fragen zeigen, dass das Interesse des Kindes geweckt ist. Wenn die Person, die Betreuung leistet, merkt, dass das Kind klagt, es verstehe etwas nicht, weil es sich eine eigene Denkanstrengung ersparen will, kann sie das Kind zum Beispiel auffordern, die Frage nochmals genau zu lesen, um die es bei einer Aufgabe geht. Die Betreuung soll die Selbständigkeit fördern und dem Kind nicht zu viel abnehmen.

Welchen Charakter müssen funktionale Hausaufgaben haben?

Manz: Hausaufgaben sind dann zweckdienlich, wenn sie etwas in der Schule Gelerntes nochmals einüben oder vertiefen.

Und wann sind Hausaufgaben kontraproduktiv?

Manz: Sie sind dann kontraproduktiv, wenn sie das Kind überfordern. Wenn die Eltern das merken, empfehle ich, dass sie sich an die Lehrperson ihres Kindes wenden. Diese kann die Hausaufgaben dann den Möglichkeiten des Kindes anpassen.