Im Herbst 2015 feierte «next-step» eine erfolgreiche Premiere. Am 23. und 24. September steigt im Schaaner SAL die zweite Auflage dieser Infotage. Weshalb haben Sie als Bildungsministerin dieses Projekt initiiert?
Aurelia Frick: Unser Ziel war es, eine Orientierungshilfe für junge Menschen und deren Eltern zu schaffen. Unser Bildungssystem – vor allem auch in der Berufsausbildung – bietet eine Fülle an Ausbildungsmodellen an und damit die Grundlage des in der modernen Bildungspolitik fest verankerten lebenslangen Lernens. Als Bildungsministerin beschäftigt mich die Frage, wie sich Kinder, Jugendliche und Eltern im breiten Bildungsangebot in Liechtenstein zurechtfinden sollen. Mein Wunsch war es, in unserem vielfältigen Bildungswesen mehr Übersicht zu schaffen. Mit «next-step» ist uns des glaub sehr gut gelungen. Dort stellen sich die Schulen und Universitäten ebenso für Lehrbetriebe vor. Auf dem Fundament der next-step Bildungsinfotage 2013 und 2014, welche seitens der Thea Keeler Stiftung ins Leben gerufen wurden, ist ein wichtiges Puzzleteil im Berufswahlprozess geworden, das sich gerade auch an Eltern richtet, die ihre Kinder in diesem Prozess belgeiten möchten.
Der Bevölkerung ist «next-step» in erster Linie als Bildungsmesse bekannt. Dabei sind die Infotage eigentlich nur ein Teil eines umfassenderen Projekts.
Allerdings. Ein Kernelement zentrale bezieht sich auf die duale Berufsbildung. Um den dualen Bildungsweg, der einer der ganz wichtigen Erfolgsfaktoren unserer Gesellschaft darstellt, weiter zu stärken, hat die Regierung den Berufsbildungsbeirat, der sich aus Vertretungen der heimischen Wirtschaftsverbände und den Bildungsbehörden zusammensetzt, mit der Durchführung einer Informationsoffensive beauftragt. Ein Teil davon ist eine zentrale Webplattform, die Informationen zur Berufsbildung mit allen damit verbundenen Themen bereitstellt. Einen festen Bestandteil werden aber natürlich auch weiterhin die «next-step» Berufs- und Bildungstage darstellen, welche das breite Spektrum von Lehre bis Hochschulstudium veranschaulichen. All diese Projekte sollen unter der Dachmarke «next-step» zusammengefasst werden. Die Marke «next-step» soll zum „Gattungsbegriff“ für die Aus- und Weiterbildung in Liechtenstein werden. Die einzelnen Massnahmen und Projekte der verschiedenen Anbieter können in der Folge unter dem Dach der Marke «next-step» angeboten werden, sodass die Dachmarke den Zielgruppen als Orientierungshilfe dient.
Die duale Berufsbildung geniesst in Liechtenstein bereits einen sehr hohen Stellenwert. Ist eine Imagekampagne überhaupt notwendig?
Die Berufsbildung geniesst in Liechtenstein in der Tat einen sehr hohen Stellenwert, im Bildungswesen und in der Wirtschaft ganz besonders. Die Lehre ist ein Erfolgsmodell. Die Verbindung von praktischer Ausbildung in einem gut geführten Lehrbetrieb und ergänzender theoretischer Ausbildung in der Berufsschule haben sich in den vergangenen Jahrzehnten bestens bewährt. Diese Kombination kommt einerseits den Lernenden sehr entgegen und ist andererseits ein Erfolgsfaktor unserer Wirtschaft. Dennoch bedarf es regelmässiger und intensiver Aufklärungsarbeit. Denn trotz aller Bemühungen bleibt jedes Jahr eine grosse Anzahl an Lehrstellen offen – obwohl oft gerade die handwerklichen Berufe immer mehr Entwicklungschancen bieten.
Sie haben die offenen Lehrstellen angesprochen. Und trotzdem: Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist der Lehrlingsmangel in Liechtenstein bei Weitem nicht so dramatisch. Worauf führen Sie das zurück?
Was Liechtenstein betrifft, bin ich überzeugt, dass wir ohne Berufslehre kaum das höchstindustrialisierte Land der Welt sein könnten. Die in der Gesellschaft breit verankerte Berufslehre ist für die heimische Wirtschaft die Basis für gut qualifiziertes Personal. Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass sich internationale Studien immer wieder eine Verbindung zwischen dem Stellenwert der Berufsbildung und der Jugendarbeitslosigkeit feststellen. Die deutschsprachigen Länder schneiden hier sehr gut ab.
Kommt bei Ihren Bemühungen um die duale Ausbildung der akademische Weg nicht zu kurz? Im internationalen Vergleich ist die Maturaquote in Liechtenstein doch sehr tief.
Erstens geht keinesfalls um eine Wertung, welcher Weg der bessere ist, sondern es geht um eine breite Palette von Möglichkeiten. Es ist richtig, dass die Maturaquote immer wieder zu Diskussionen führt, das ist aber nicht nur bei uns so. Wir müssen bedenken, dass in Liechtenstein der Besuch des Langzeitgymnasiums nur einer von mehreren Möglichkeiten ist, die Matur zu machen. Mit jenen Jugendlichen, die nach der Realschule ins Gymnasium eintreten, mit einer Lehre eine Berufs- oder Fachmatura absolvieren oder im Ausland die Reifeprüfung ablegen, liegt die Maturaquote bei uns mittlerweile allerdings bei über 40 Prozent. Es machen also fast doppelt so viele junge Menschen die Matura, als Schüler nach der Primarschule dem Gymnasium zugewiesen werden. Unser dreigliedriges System ist also viel durchlässiger als früher und zudem sind die Möglichkeiten, die Matura zu erlangen, heute deutlich vielfältiger als früher.
Dennoch entscheiden sich immer mehr Jugendliche bzw. deren Eltern für eine akademische Laufbahn. Was spricht in Ihren Augen dennoch für eine Lehre?
Der Zuwachs kommt in erster Linie daher, dass sich immer mehr Jugendliche nach einer Lehre und der BMS an einer Fachhochschule weiterbilden. Die Zahlen im Gymnasium waren über die letzten Jahre relativ konstant. Aber wir müssen aufpassen, dass wir die berufliche und akademische Ausbildung nicht gegeneinander ausspielen. Viel wichtiger ist die Begleitung der Jugendlichen in ihrer gesamten Bildungslaufbahn. Unser Bildungswesen ist in den vergangenen Jahren sehr bunt und vielfältig geworden, es gibt längst nicht mehr nur den einen Weg zum Ziel.
Welche Vorteile sehen Sie in einer Lehre?
Wie gesagt, der ideale Ausbildungsweg sieht für jeden anders aus. Jugendliche mit einem Lehrabschluss verfügen über einen breiten Erfahrungsschatz, der in der Schule allein nicht zu vermitteln wäre. In erster Linie kennen sie den Arbeitsalltag, sie wissen, wie Betriebe und Abteilungen funktionieren und kennen die Perspektive des Unternehmens.
Ist ein abgeschlossenes Studium kein Garant für eine erfolgreiche Karriere mehr?
Keine Ausbildung ist allein ein Garant dafür. Aber was heisst schon erfolgreiche Karriere. Leidenschaft für Fragestellungen im Berufsalltag führt da vermutlich näher zum Erfolg. Aus betrieblicher Sicht wird ein breites Spektrum an Erfahrungen und Ausbildungen bevorzugt. Die Fachkräfte, ob mit praktischem oder akademischem Hintergrund, bilden das Rückgrat der heimischen Wirtschaft und werden auch dementsprechend gut entlohnt.