Am Puls der jungen Liechtensteiner

Jugendliche und junge Erwachsene sind Gegenstand zahlreicher nationaler und internationaler Studien. Für das Jahr 2017 liegt nun auch für Liechtenstein eine vergleichbare, wissenschaftliche Arbeit vor, die besagte Personengruppe fokussiert. Unter der Leitung von Monika Litscher hat das Center für Geistes- und Kulturwissenschaft der Universität Liechtenstein die Studie «Jung sein in Liechtenstein» durchgeführt.

Mittels Befragung (4504 kontaktierte Personen, 354 berücksichtigte Fragebögen nach erfolgter Bereinigung) und vertiefender Interviews mit zwei Gruppen zu vier respektive fünf Personen, die bei der Befragung angaben, sich hierfür zur Verfügung zu stellen, zeichnen die Forscher ein detailliertes Bild der Werte, Ansichten, Erfahrungen, Interessen, Ziele, Hoffnungen und Sorgen der 16bis 25-jährigen Einwohnerinnen und Einwohner des Fürstentums. Die verschiedenen Jahrgänge seien dabei zu annähernd gleich grossen Teilen vertreten, betonte Monika Litscher anlässlich der gestrigen Präsentation der Studie. Und auch die unterschiedlichen Berufs- und Ausbildungsbereiche seien in einem guten Querschnitt repräsentiert. In puncto Geschlecht ist ein leichtes Übergewicht der weiblichen Teilnehmerinnen zu konstatieren (57 Prozent).

Klassisches Familienmodell in vielen Köpfen
Was bei der Sondierung der Ergebnisse an verschiedenen Stellen durchdringt, ist die Prägung der Liechtensteiner Jugend durch einen traditionellen, an klassischen Werten und Lebensentwürfen orientierten Geist. Was ihnen vor allen anderen Dingen wichtig ist, sind stabile, soziale Bindungen- ein funktionierendes Umfeld mit Freundinnen und Freunden, einer Partnerin respektive einem Partner und einer Familie als zentralen Wesenszügen. Von 25 Begrifflichkeiten, welche die jungen Erwachsenen als «in» oder «out» klassifizieren sollten, erzielte «Treue» mit 95 Prozent die höchste «In»-Quote. Und im Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf finden sich geschlechtsspezifische Unterschiede, die durchaus den Schluss zulassen, dass das klassische Familienmodell im Leben vieler junger Menschen- Männer wie Frauennach wie vor eine Rolle spielt. «Es lässt sich bei Männern eine stärker ausgeprägte Karriereorientierung feststellen, bei Frauen herrscht eine grössere Skepsis bezüglich ihrer eigenen Karrierechancen vor, und es wird ein ausgeprägtes Verlangen nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie respektive Privatleben formuliert», heisst es hierzu in der Studie. Diese Ansprüche und Vorstellungen beider Geschlechter verwiesen «auf ein traditionelles Rollen- und Familienverständnis und eine der Karriere untergeordnete Mutterrollenorientierung junger Frauen».

Blicke über den Tellerrand
Eine andere Auffälligkeit liegt in der Unvereinbarkeit mancher Studienergebnisse mit den Klischees, denen sich junge Erwachsene oftmals gegenübersehen. Liechtensteins 16- bis 25-Jährige sind keine abgestumpften Hedonisten, denen bei der ständigen Suche nach dem kurzfristigen Vergnügen jeglicher Weitblick abgeht. Ganz im Gegenteil: Viele schauen weit über den Tellerrand hinaus, indem sie sich der Probleme des demografischen Wandels bewusst sind und die Frage der Altersversorgung als grosse Herausforderung wahrnehmen, die sie persönlich unmittelbar tangieren wird. Die grosse Mehrheit strebt zuvorderst nach einer Arbeit, die sinnstiftend ist, während ein hohes Einkommen für viele nicht oberste Priorität hat. Liechtensteins junge Erwachsene zeichnen sich durch ein «sehr feines Gespür für die hiesigen sozialen Strukturen» aus, wie Monika Litscher am Beispiel der lebhaften aber stets von Verständnis geprägten Gruppendiskussionen zum Thema «Vitamin B» in der Arbeitswelt veranschaulichte. Ausserdem geben 58 Prozent an, an Politik stark interessiert (16 Prozent) oder interessiert (42 Prozent) zu sein.

Was nicht bedeutet, dass deshalb auch das Vertrauen in die nationalen politischen Institutionen sonderlich ausgeprägt wäre. «Die politischen Player im Land und die Politik sind für die meisten Jungen eher abstrakte Grössen und relativ weit weg vom eigenen Alltag. Wenn es um ihre eigenen Anliegen geht, fühlen sich die jungen Menschen zu wenig vertreten und sehen eine geringe Wahrnehmung ihrer Interessen», konstatiert die Studie. Der Regierung bringen daher nur 8 Prozent «sehr viel Vertrauen» entgegen, Landtag und Parteien 7 respektive 6 Prozent.

Andere Akteure haben diesbezüglich ein besseres Standing. Zuoberst rangieren Erbprinz und Fürst, denen 25 respektive 24 Prozent «sehr viel Vertrauen» schenken. Auch lokale Banken (16 Prozent) und grosse inländische Unternehmen (12 Prozent) schneiden deutlich besser ab als die Politik. Ohnehin erfülle die Stärke der Liechtensteiner Wirtschaft viele junge Erwachsene aus dem Fürstentum mit Stolz, berichten die Studienautoren. Allerdings seien zugleich Sorgen laut geworden, ob heimische Unternehmen ihre Zukunft überhaupt am hiesigen Standort sähen.

Apropos Zukunft: Die Grundstimmung unter Liechtensteins jungen Erwachsenen ist erfreulicherweise mehrheitlich positiv. 33 Prozent der Befragten erachten ihre Perspektiven als sehr gut und 54 Prozent als eher gut, nur 2 Prozent beurteilen die persönlichen Aussichten als eher schlecht. Auch ihre gegenwärtige Situation bewerten weit mehr als die Hälfte positiv. 39 Prozent sind sehr zufrieden mit ihrem Leben, ebenfalls 39 Prozent eher zufrieden.

All die Zahlen stellen nur eine Bestandsaufnahme für 2017 dar, Doch schon in wenigen Jahren sollen auch Zeitvergleiche möglich sein. Die Studie soll «in drei bis fünf Jahren» erneut durchgeführt werden, wie Monika Litscher informierte.