160 Stellen für 60 Berufe sind noch zu haben

Früher oder später muss sich jede Schülerin und jeder Schüler die Frage stellen, wie es nach dem Abschluss weitergehen soll. Für viele Sekundarschüler bedeutet das, dass sie sich bereits im Alter von 14 oder 15 Jahren entscheiden müssen, welchen Beruf sie später einmal erlernen möchten. Um diese Entscheidung zu erleichtern, startet die Liechtensteinische Industrie- und Handelskammer (LIHK) heute die «BerufsCHECK»-Woche, an der etwa 300 Schülerinnen und Schüler teilnehmen werden. Diese wird an verschiedenen Orten wie zum Beispiel in verschiedenen Schulzentren des Landes oder beim Amt für Berufsbildung und Berufsberatung (ABB) in Schaan stattfinden.

Die Jugendlichen über das Berufsleben zu informieren ist berechtigt: Laut Werner Kranz, Leiter des ABB, vergebe die heimische Wirtschaft jährlich etwa 400 Ausbildungsplätze in rund 100 verschiedenen Lehrberufen. 2019 wird sich diese Zahl seiner Meinung nach nicht ändern. «Bis Ende März sind beim ABB rund 220 Lehrverträge mit Lehrbeginn Sommer 2019 zur Genehmigung eingereicht worden. Viele Schulabgänger verfügen zwischenzeitlich bereits über eine verbindliche Lehrstellenzusage», erklärt Kranz gegenüber dem «Volksblatt». Für das laufende Jahr erwarte er, dass etwa zwei Drittel aller Abgängerinnen und Abgänger aus Sekundarschulen eine Berufslehre antreten werden. Jeder fünfte Jugendliche werde sich wahrscheinlich für ein sogenanntes Brückenangebot, wie zum Beispiel das 10. Schuljahr, oder eine Vorlehre entscheiden. Etwa 10 Prozent aller Jugendlichen würden nach den Sommerferien ins Gymnasium oder an eine Mittelschule wechseln.

Auf der einen Seite profitieren heimische Unternehmen laut Kranz davon, Lernende einzustellen, die aus der Region stammen. Auf der anderen Seite erzeuge dies jedoch eine Art Wettbewerbscharakter bei der Berufswahl. Die Schülerinnen und Schüler müssten sich anstrengen, sodass sie aus den zahlreichen Mitbewerbern hervorstechen. Derzeit stünden für den kommenden Sommer aber noch rund 160 Stellen für über 60 verschiedene Berufe frei. Die meisten freien Lehrstellen gebe es momentan im Detailhandel, bei Elektro-, Metallbau-, Heizungs- und Sanitärberufen. Auch für künftige KV-Lehrlinge gebe es noch reichlich Platz.
Einen Beruf, der besonders beliebt beziehungsweise unbeliebt ist, gebe es nicht. «Die Berufswahl der Schulabgänger ist von Jahr zu Jahr sehr unterschiedlich, da die Berufswahl vor allem von den individuellen Neigungen und Eignungen der jungen Menschen für einen bestimmten Lehrberuf abhängig ist», sagt Kranz. Vielmehr spielten die Rahmenbedingungen der jeweiligen Berufe eine Rolle bei der Berufswahl. Bedingungen wie die Arbeitszeiten, der Lohn oder die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Eines jedoch lässt sich mit Sicherheit feststellen: «Männerdomänen» in der Berufswelt sind inzwischen eine Seltenheit geworden. «Die besagte Entwicklung eines zunehmenden Frauenanteils in sogenannten Männerberufen ist bereits seit einigen Jahren im Gange», erklärt Kranz. Inzwischen hätten zahlreiche junge Frauen ihre Lehren zu Berufen wie zum Beispiel Automatikerin, Drucktechnikerin oder Multimediaelektronikerin abschlies­sen können. Bei dieser Entwicklung spielte vor allem auch die Meinung der Eltern eine wichtige Rolle.

Liechtensteins Bildungssystem biete laut Kranz eine Vielzahl von Bildungswegen. Die Berufslehre und die gymnasiale Ausbildung stünden nicht im Wettbewerb zueinander, sondern ergänzten sich. «Beide Wege führen zum Ziel: Zum Einstieg in die Berufswelt», erklärt Kranz. Das trage erheblich dazu bei, dass die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande bei nur 1,9 Prozent liegt.
Ob nun der berufliche oder der schulische Weg nach Abschluss der Sekundarstufe beliebter ist, lässt sich nicht sagen. Letzten Endes kann aber die heimische Wirtschaft vom Bildungsweg der Schulabgängerinnen und Schulabgängern profitieren, denn die Unternehmen spüren laut Kranz die demografische Entwicklung anhand der Anzahl jährlicher Abgänger. «Somit muss unsere heimische Wirtschaft, um ihre Nachfrage an Lehrlingen decken zu können, bereits seit Jahren regional rekrutieren. Dies gilt übrigens auch für die Rekrutierung von Fachkräften auf dem regionalen Arbeitsmarkt und ist somit nichts Neues», erklärt Kranz.