Seit Montag sind die virtuellen Klassenzimmer wieder gefüllt und der Fernunterricht geht weiter – auch am Berufs- und Weiterbildungszentrum (BZB) in Buchs. Am BZB haben die Ler-nenden am 23. März – eine Woche nach der offiziellen Schliessung der Schulen durch den Bundesrat – damit begonnen. Obwohl man im BZB bereits seit fünf Jahren Pilotklassen hatte, in denen der Unterricht «digital» geführt wurde, war es für das BZB eine Herausforderung, vollkommen auf Fernunterricht umzustellen. Denn es sind nur schon in der BZB Grundbildung 20 verschiedene Berufsgattungen, 2800 Lernende, 120 Lehrpersonen betroffen. Weitere 1800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind es bei der BZB-Weiterbildung.
«Wir wurden alle ins kalte Wasser geworfen, doch es können nun alle schwimmen», sagt Peter Keller, Prorektor und Leiter Grundbildung am BZB. Jede Lehrperson sei im Boot und jeder einzelne Lernende. Peter Keller selber war eine dieser Lehrpersonen.
«Vor meiner ersten Lektion Fernunterricht war ich nervöser, als damals als Junglehrer zu Beginn meiner Berufsschullehrertätigkeit», sagt er. Im Fernunterricht müsse er den Unterricht noch stärker strukturieren und vor Beginn der Stunde alles digital aufbereitet haben. «Man kann nicht spontan rasch etwas an der Wandtafel zeichnen oder schreiben», sagt er. Inzwischen mag Peter Keller zwar noch nicht von Routine sprechen, doch scheint er zufrieden, wie gut das Distance Learning funktioniert. «Wir hatten bereits ein Pilotprojekt zum digitalen Lernen und unsere pädagogischen IT-Fachleute sind schon sehr erfahren und zum Teil schweizweit anerkannt», so Peter Keller. Es handelt sich dabei um Pädagogen mit den entsprechenden Weiterbildungen im digitalen Bereich. Diese haben zunächst, ebenfalls bereits auf Distanz, sämtliche Lehrpersonen des BZB im Erteilen von Fernunterricht weitergebildet. Damit diese nun ihrerseits Distance Learning mit den Lernenden durchführen können. Schriftliche Prüfungen finden innerhalb des Distance Learning allerdings nur wenige statt. «Auch die schulischen Prüfungen für den Lehrabschluss werden dieses Jahr am BZB entfallen», sagt Peter Keller. «Für den Berufsabschluss werden die Zeugnisnoten der bisherigen Semester gewertet. Die durch die Berufsverbände organisierten praktischen Prüfungen finden aber statt – vielleicht in etwas abgewandelter Form.» Peter Keller betont: «Auch die diesjährigen Berufsabschlüsse und Berufsmaturadiplome sind repräsentativ für die Fähigkeiten der jungen Leute und werden den gleichen Wert auf dem Arbeitsmarkt haben.»
«Der digitale Unterricht wird den Präsenzunterricht nie zu 100 Prozent ersetzen können. Das will auch gar niemand», sagt Peter Keller, Prorektor und Leiter Grundbildung am Berufs- und Weiterbildungszentrum (BZB) deutlich. Dennoch werden die Erfahrungen, die man nun aus dem Fernunterricht aufgrund der Pandemie macht, dazu beitragen, den digitalen Wandel im Schulzimmer zu optimieren. Davon sind sowohl Peter Keller als auch Christian Broekstra, Experte für Lehren und Lernen mit digitalen Medien sowie Lehrperson am BZB, überzeugt. Nach dem Entscheid des Bundesrates Mitte März, alle Schulen zu schliessen, haben es die Lehrpersonen am BZB geschafft, innerhalb einer Woche den Unterricht für 20 verschiedene Berufe auf Fernunterricht umzustellen.
«Wir führen bereits seit fünf Jahren Pilotklassen mit digitalem Unterricht», sagt Peter Keller. Die Lehrmittel sind digital verfügbar und es wird mit verschiedenen Tools gearbeitet. Die Lehrpersonen, welche diese Klassen führen, sind die Spezialisten, die dann innerhalb einer Woche alle Lehrpersonen des BZB mit den Möglichkeiten des digitalen Lehrens vertraut gemacht haben. «Rund die Hälfte unserer Lehrpersonen konnte aber bereits auf genügend Erfahrung mit digitalem Unterricht zurückgreifen. Andere mussten sich auf etwas Neues einstellen», so Peter Keller.«Seit Beginn der Frühlingsferien steht den Lehrpersonen eine Hotline zur Verfügung, welche jegliche technische und vor allem pädagogisch-methodische Hilfestellung bietet.» So konnte der Fernunter- richt am BZB am 23. März starten. In den vergangenen Frühlingsferien konnten sich die Lehrpersonen nun weiter vertiefen, Verschiedenes ausprobieren und Fragen stellen. «Die Schulungshotline wurde rege genutzt», sagt Peter Keller. «Zusätzliche Kosten im monetären Sinne sind keine entstanden, sieht man vom Kauf von wenig kurzfristig angeschaffter Lernsoftware und der Anschaffung von Headsets und Mikrofonen für die Schulleitung ab, da auch wir zurzeit ausschliesslich per Videokonferenz kommunizieren und führen», sagt Keller.
Die Infrastruktur war aber bei den Lernenden eine Herausforderung. «KV-Lehrlinge, Konstrukteure oder Informatiker sind demgegenüber natürlich affin und gut ausgerüstet, doch wir haben auch andere Berufe. Inzwischen haben aber alle eine Möglichkeit gefunden, digital zu lernen. Oft stellt auch der Ausbildungsbetrieb die Infrastruktur zur Verfügung und die Lernenden können im Geschäft ihre Aufträge erledigen», so Peter Keller. Eine Lehrperson, die in verschiedenen Berufsgattungen Lernende unterrichtet, ist Christian Broekstra. Gleichzeitig ist er einer der pädagogischen IT-Spezialisten am BZB. Er sieht sich zurzeit mit der Doppelbelastung konfrontiert, die anderen Lehrpersonen zu unterstützen und gleichzeitig von zu Hause aus zu unterrichten, während die eigenen Kinder ebenfalls zu Hause unterrichtet werden. Christian Broekstra findet diese Zeit aber auch «sehr spannend». Er sagt: «Vieles kommt in Schwung. Ein Lehr- und Lernkulturwandel wird sich schneller vollziehen als ohne Coronakrise – mit allen Vor- und Nachteilen.» Interessant sei, dass ausgerechnet zuvor recht skeptische Lehrpersonen nun am meisten Begeisterung für den Fernunterricht zeigen würden. Nach wie vor sieht der Unterricht jedoch auch gemeinsame Phasen vor, in welchen Inhalte besprochen oder Problemstellungen gemeinsam diskutiert werden können. «Früher war das physisch im Klassenzimmer, heute digital in einem Chat», sagt Broekstra.
Was fehlt, ist allerdings die Rückmeldung aus Mimik und Gestik. «Einzelne Schüler können sich vielleicht eher verstecken.» Auf der anderen Seite erhält der Lehrer mehr Einzelanfragen in privaten Chats. «Es scheint so, als getraue man sich eher, nachzufragen, als wenn man das vor der ganzen Klasse tun müsste», sagt er. Es dauerte rund eine Woche, bis alle Lernenden sich im Fernunterricht so weit eingelebt hatten, dass es gut funktionierte. Sie seien sehr motiviert und würden ihre Aufgaben pflichtbewusst erledigen.«Die Lernenden sind gefordert. Der Einsatz digitaler Unterrichtswerkzeuge bringt mit sich, dass die Lehrlinge eigenständiger lernen müssen und mit mehr Selbstorganisation. So wie dies eben auch im betrieblichen Lernen oft der Fall ist. Aber auch die Lehrerrolle verändert sich dadurch stark», betont Christian Broekstra. «Die Motivation hat aber nicht unbedingt etwas damit zu tun, ob der Unterricht digital oder analog stattfindet», ist Christian Broekstra überzeugt und – «die menschliche Komponente kann nicht ersetzt werden.» Streiche spielen funktioniert allerdings auch digital. «In unserem Tool kann während einer Konferenz ein anderer Teilnehmer auf stumm geschaltet werden, auch die Lehrperson», erzählt Broekstra. «Die Lernenden fanden dies zu Beginn recht lustig – die Lehrer weniger.»
Einer der 2800 Lernenden ist Aaron Teschler. Er schliesst seine Lehre zum Konstrukteur diesen Sommer ab. Am Anfang fand er den Fernunterricht ungewohnt und befremdlich. Jetzt gehe es aber gut. «Ich fühle mich keineswegs benachteiligt, da ich schon immer gern für mich allein gearbeitet habe und so auch produktiver sein kann», sagt er. Aber auch Gruppenarbeiten hätten sie schon gemacht über eine Videokonferenz zu viert. Gedanken darüber, dass er zu dem Jahrgang gehört, der keine schriftliche Abschlussprüfung schreiben muss, mache er sich schon. Allerdings findet er, dass die Leistung vorher mehr zähle. «Meistens macht doch die Abschlussprüfung dann auch keinen grossen Unterschied mehr», ist er überzeugt. Seine Individuelle Praktische Arbeit, also den Praxisteil seiner Lehrabschlussprüfung, hat er bereits abgegeben. «Die Präsentation muss ich noch organisieren, allenfalls findet diese auch über eine Videokonferenz statt», sagt er. Sorgen darüber, dass er aufgrund der besonderen Schulsituation jetzt nach seinem Abschluss keine Arbeitsstelle findet, macht er sich nicht.
Christian Broekstra sieht beim Lehren und Lernen mit digitalen Tools Vor- und Nachteile. Zu den Vorteilen zählt, dass orts- und zeitunabhängig gelernt werden kann. Man ist nicht zwingend an einen fixen Stundenplan gebunden. Durch die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung sei ein hoher Individualisierungsgrad möglich. Ist ein Auftrag erteilt, können so sehr eigenständige Lernende im eigenen Tempo arbeiten, während die Lehrperson mehr Zeit für Lernende habe, die mehr Betreuung benötigen. Ausserdem würden digitale Kompetenzen geschult, dies befähige die Lernenden, sich später als mündige Teilnehmer in einer digitalisierten Gesellschaft zurechtzufinden.
Zu den Nachteilen gehöre sicher, dass sich der persönliche Kontakt nicht ersetzen lasse. Man bemerke über die digitalen Kanäle sicher weniger, wem es gerade nicht so gut gehe und wo man mal nachfragen müsse. Ausserdem seien die technischen Voraussetzungen bei den Lernenden sehr unterschiedlich. «Zukünftig wird wohl jeder Lernende am BZB mit einem eigenen Gerät für den Unterricht ausgerüstet sein», sagt Christian Broekstra. Dies bedeute jedoch nicht, dass die jungen Erwachsenen diese auch automatisch sinnstiftend für ihr Lernen einsetzen können. Obwohl diese «digital» aufgewachsen seien, fehle vielen das Wissen, wie Lernprozesse damit optimiert werden können. «Alle sind gefordert, Lehren für den Unterricht aus der Coronazeit zu ziehen und diese Erkenntnisse für das zukünftige Unterrichtsverständnis nutzen zu können», sagt der Fachmann.