282 Liechtensteiner Lehrbetriebe weist die Bildungsstatistik 2018 für das Schuljahr 2017/18 aus. So wenige waren es noch nie,seit dieser Wert für das Jahr 2007 erstmals erhoben wurde. Über den gesamten Zeitraumhinwegreduziertesich ihre Zahl bis heuteum über 100 gegenüberdem Vorjahr um 21. Ob es Liechtensteins Unternehmen wo möglich an Ausbildungsbereitschaft vermissen lassen?
Der in der jährlich erscheinen den Publikation abgebildetekontinuierliche Rückgang an Lehrbetrieben ist Fakt. Allerdings, betont Ivan Schurte, Leiter des Wirtschaftskammer Berufsbildungsprogramms 100pro!, gilt es, sich genau bewusst zu machen, was besagte Statistik aufzeigt und was eben nicht. Die Zahl 282 dokumentiere schliesslich nur, wie viele Betriebeimfraglichen Zeitraum aktiv einen oder mehrere Lehrlinge betreuten. «Daneben gibt es aber auch noch viele schlummernde Lehrbetriebe.» Unternehmen also, die durchaus bereit wären, neue Fachkräfte auszubilden, deren angebotene Lehrstellen aber unbesetzt bleiben. Werner Kranz, Leiter des Amts für Berufsbildung und Berufsberatung(ABB),bestätigt diesen Umstand. Per Ende 2018 seien beim ABB 584 Lehrbetriebe registriert gewesen. «Davon bildet derzeit rund die Hälfte aktiv lernendePersonen in verschiedenen Lehrbereichen aus.»
Dass sich die Zahl der Betriebe mit einer oder mehreren Ausbildungsbewilligungen verringert hat, will Schurte nicht negieren. Die Schliessung traditioneller Lehrbetriebe,etwa im Detailhandel, im Gastrobereich oder im Baunebengewerbe, dürfe nicht unterschätzt werden, weiss er.
«Neue Betriebe muss man für die Ausbildung erst gewinnen.»Und tatsächlich ist jener Kennwert gemäss ABB zwischen Ende 2017 und Ende 2018 um 21 Betriebe geschrumpft.
Gleichwohl sieht Schurte in denjährlich freibleibenden Lehrstellen das wahre Problem, dem die duale Berufsbildung in Liechtenstein gegenübersteht. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Die Wahl der Lehrberufe etwa falle schon lange nicht mehr so breit gefächert aus,wie das Angebot auf dem Arbeitsmarkt daher komme, sagt Schurte. Statt im Fall einer Absage dann auf eine andere Ausbildung zusetzen,nähmen die Jugendlichen lieber ein Brückenangebot wahr und versuchten ein Jahr später erneut,eine Lehrstelle in ihrem favorisierten Lehrbereich zuergattern.Gerade Kleinbetriebe, die nur einen Lernenden ausbilden könnten, gehen gemäss Schurte so oft leer aus.
Ein anderer Faktor, der zunehmend Einfluss nimmt, ist die demografische Entwicklung. «Die Anzahl der Schulabgänger weist in den vergangenen Jahren einen abnehmenden Trend auf», erklärt ABB-Leiter Kranz.Waren es im Jahr 2008 noch 386 Jugendliche, die in Liechtenstein Oberschule,Realschule oder 10.Schuljahr abschlossen, lag die Zahl zehn Jahre später noch bei 304.
Weniger Schulabgänger bedeuten selbst redend weniger potenzielle Lehrlinge. Und weil sich die gleiche Entwicklung auch jenseits des Rheins vollzieht, ist Liechtenstein gleich doppelt betroffen. Schliesslich sind «die liechtensteinischen Lehrbetriebe seit vielen Jahren auch auf Jugendliche aus der Schweiz angewiesen, die ihre Ausbildung im Land machen möchten»,wie Brigitte Haas, stellvertretende Geschäftsführer in der Liechtensteinischen Industrie und Handelskammer(LIHK) anmerkt.«Was sich mit dem Lehrstellenangebot der Schweiz bisher ergänzte», sagt Ivan Schurte,«wird zurzeit zur Lücke.»
Bei der Ursachenbenennung nicht zuvernachlässigen ist in den Augen des 100pro! Leiters ferner die Möglichkeit für Realschüler, ins Gymnasium überzutreten. Diese Option werde«immerhäufiger» genutzt, hat Schurte festgestellt imSchuljahr2017/18 gemäss Bildungsstatistik zuletzt 42 Mädchen und Knaben, wobei sechs Jugendliche auch den umgekehrten Weg gingen.
Ein Symptom für einen Bedeutungsverlust der dualen Berufsbildung erkennt in den eben skizzierten herausfordernden Umständen trotzdem keiner der befragten Akteure. «Die LIHK ist überzeugt:Die Lehre ist und bleibt eine ausgezeichnete Grundlage für denBeginn eines erfolgreichen Berufslebens.Viele Länder erkundigen sich bei uns nach dem erfolgreichen dualen System und versuchen, von den Erfahrungen der deutschsprachigen Länder mit dualem Bildungssystem zu profitieren», betont Brigitte Haas. Auch Werner Kranz kann keinen Anlass zur Sorge erkennen: «Aus Sicht des ABB geniesst der duale Bildungsweg in unserer Gesellschaft nach wie vor einen hohen Stellenwert.» Das zeige sich zum einen an der Zahl der jährlich per 1. September von der Liechtensteiner Wirtschaft beim ABB gemeldeten freien Lehrstellen, zum anderen an der Zahl der jährlich vom ABB genehmigten Lehrverträge. Beide Werte erwiesen sich gemäss Kranz in den vergangenen zehn Jahren als relativ konstant.
Gefordert ist die Wirtschaft ob der unbesetzten Lehrstellen dennoch. Die LIHK und ihre Arbeitsgruppe Industrielehre (AGIL) setzt sich für attraktive Lehren,engagierte Berufsbildner und eine gute Bildung von Schülernein, streicht Brigitte Haas vor diesem Hintergrund heraus. Ivan Schurte wiederum sieht vorallem in der Harmonisierung von Marktangebot und Ausbildungswünschen einen wichtigen Ansatzpunkt: «Wir könnten sicher 100Lehrstellen als Kauffrau respektive Kaufmann besetzen, würden somit aber amWerkplatz vorbei rekrutieren. Stattdessen müssen wir die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes in die Schulen bringen und die Erfolgschancen aufzeigen.»