Ein Stichtag, der Stress ersparen soll

Der 1. November gilt als Stichtag für die Lehrstellenvergabe. Jeweils am 2. November erhalten die Jugendlichen dann die Zusagen oder auch Absagen der Betriebe, bei welchen sie sich beworben haben. Dieses sogenannte Gentleman’s Agreement zwischen der Arbeitsgruppe Industrielehre (agil) der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer, der Liechtensteinischen Treuhandkammer und des Liechtensteinischen Bankenverbands gibt es bereits seit fünf Jahren. Somit haben fast alle grossen Verbände diese schriftliche Vereinbarung unterzeichnet. Ein grosser «Player» fehlt aber. Die Wirtschaftskammer hat sich dem «agreement 1. November» nicht angeschlossen.

Künstlicher Stressmoment durch Stichtag
Ivan Schurte von der Wirtschaftskammer und Bereichsleiter von 100 pro erklärt: «Wir sind nicht grundsätzlich gegen den 1. November, sondern gegen einen Stichtag im Allgemeinen.» Durch diesen Stichtag werde ein künstlicher Stressmoment erzeugt: «Am 2. November herrscht in den Klassenzimmern in Liechtenstein ein Ausnahmezustand. Neben den fünf Jugendlichen, die mehrere Zusagen erhalten, gibt es 15 Jugendliche, die nur Absagen erhalten», erklärt Schurte weiter. Diese 15 müssen sich dann neu orientieren. «Ich bin der Meinung, wenn sich Lehrbetriebe und Lernende gefunden haben, dann sollte einer Zusammenarbeit nichts im Wege stehen.» Schurte habe bereits Ende September die erste Lehrstelle vergeben. Er verstünde aber die anderen Verbände, die sich dieser Vereinbarung angeschlossen hätten. Das vor allem deswegen, weil diesen Verbänden grosse Firmen – wie eine Hilti AG – unterstellt sind, die auf einen Schlag zahlreiche Lehrstellen zu vergeben haben.

Mehr Zeit für die Berufswahl
Claudia Guntli vom Liechtensteinischen Bankenverband erklärt, weshalb sich der Banken- verband der «Fairplay»-Vereinbarung angeschlossen hat: «Durch den gemeinsamen Stichtag erhalten die Schülerinnen und Schüler genügend Zeit, sich bewusst mit ihrer Berufswahl und ihren Wünschen auseinanderzusetzen. Eine systematische Berufs- und Lehrstellensuche ohne Zeitdruck hilft, damit die Schülerinnen und Schüler nicht bei der erstbesten Stelle zusagen.» Dies reduziere den Stress bei sämtlichen Beteiligten und mindere das Risiko von Lehrstellenabbrüchen. «Bei vielen Jugendlichen ist der Stichtag ins Bewusstsein gerückt und sie teilen den Unternehmen bei einer allfälligen Zusage schon zu Beginn mit, dass sie diesen Tag abwarten wollen», erklärt Guntli weiter. Da diesen Stichtag nicht jeder Betrieb berücksichtigt, bekämen die Firmen, welche sich dem «Fairplay» angeschlossen hätten, schon vor dem Stichtag so manche Absage. «Die Absagen kommen hauptsächlich von Schweizer Jugendlichen», sagt Guntli.

Beim «Fairplay» kann jeder Betrieb mitmachen, der sich anschliessen möchte. «Zum Wohle unserer Jugend würden wir es sehr begrüssen, wenn sich viele weitere Lehrbetriebe in der Region an halten – den einst in der ganzen Region gültigen Stichtag 1. November», sagt Guntli.

Bis zum Sommer noch viele freie Lehrstellen
Im Endeffekt zählt aber für die Schüler die Zusage durch den Lehrbetrieb und da steht auch nach der ersten Novemberwoche bis hin zum Lehrbeginn im Sommer noch eine Vielzahl freier Lehrstellen zur Verfügung.