Eine Messe als Mutmacher

Der demografische Wandel hat viele Gesichter. Eines davon sind die vielen Lehrstellen, die aufgrund sinkender Schülerzahlen jährlich unbesetzt bleiben. Die handwerklichen Berufe bekommen diesen Effekt besonders zu spüren. Durch den fehlenden Nachwuchs hätten es Schulabgänger gegenüber früher schlichtweg leichter, in den «schönen» Berufen Unterschlupf zu finden, erklärte Ivan Schurte von «100pro!», dem Berufsbildungsprogramm der Wirtschaftskammer, neulich gegenüber «Wirtschaftregional». «Schön», weil Schüler, vor allem aber auch deren Eltern, mit einer Tätigkeit am Schreibtisch oftmals bessere Karrierechancen assoziieren. «Dem Handwerk», so Schurte, «verbleiben so weniger Lehrlinge.»

Versuche, dieser Schieflage entgegenzuwirken und die betroffenen Berufe ein Stück weit zu rehabilitieren, gibt es schon länger. Vor einigen Jahren, berichtet Schurte, hätten das Amt für Berufsbildung und das Schulamt den überholten Berufswahlfahrplan renoviert. Die Sekundarschüler werden  auch auf gymnasialer Ebene so bereits ab der achten statt der neunten Klasse auf das vorbereitet, was der Berufsbildungsweg für sie bereithält. Dabei, so Schurte, werden auch die Eltern gezielt mit ins Boot geholt und informiert. Eine der zentralen Botschaften, die im Rahmen von Informationsabenden, Projektwochen oder online transportiert wird: Die Handwerkslehre ist mit keinerlei Einschränkungen für den eigenen Werdegang verbunden.

«Sie ist keine Sackgasse», wie der Mann von «100pro!» betont. «Es stehen einem alle Wege offen, um sich weiterzuentwickeln.» Doch ist der proklamierten Durchlässigkeit auch die erhoffte Resonanz beschieden? Ändert sich die Perspektive auf die handwerklichen Berufe allmählich? Die Berufsmesse «Next Step», die in der vergangenen Woche in Schaan über die Bühne ging, hat durchaus Indizien für eine solche  Entwicklung geliefert.

«Im Vergleich zu früheren Jahren sind die Eltern viel offener dafür geworden, dass ihr Kind sich für eine handwerkliche Lehre entscheiden könnte», sagt beispielsweise Schurte. Das habe er in mehreren Gesprächen, die er am Stand von «100pro!» geführt habe, deutlich gespührt. Positive Eindrücke sind auch bei Martin Bernegger haften geblieben, der an der «Next Step» die regionalen Schreinerverbände repräsentierte. Die Zahl der interessierten Besucher habe zwar nicht unbedingt zugenommen, sagt er. «Aber das Interesse war qualitativ ein anderes als in früheren Jahren. Die Gespräche gingen viel mehr in die Tiefe.» Deshalb ist er auch guter Hoffnung, dass die Wertigkeit einer handwerklichen Lehre nach und nach anders wahrgenommen wird:

«Ein Handwerk ist eine wertvolle Grundausbildung, eine Basis, die dir alle Möglichkeiten lässt und auf die du immer wieder zurückgreifen kannst egal in welche Richtung du strebst.» Antonio Barrella ist hierfür gewissermassen ein Musterbeispiel, wie er selbst sagt. Der Inhaber der Farbraum AG, der den jungen Erwachsenen in Schaan den Malerberuf näherbrachte, absolvierte einst die Malerlehre, anschliessend mehrere Weiterbildungen und studierte schliesslich Innenarchitektur. «Aufgrund dessen konnte ich bezüglich Durchlässigkeit natürlich sehr viel aus meiner persönlichen Erfahrung berichten.» Das heutige Bildungssystem, ergänzt er, biete jedem sehr gute Voraussetzungen, um dorthin zu gelangen, wo man hinwolle.

Auch in seinem Fall scheint der verhältnismässig rege Besuch des Farbraum-Stands eine Bewusstseinsveränderung beim Publikum zumindest anzudeuten. «Das Interesse am Malerberuf ist wieder da», konstatiert Barrella erfreut. Vor allem bei den Männern sei es gegenüber früheren Jahren angestiegen. Allerdings vermutet er, dass hier auch die generell grössere Aufmerksamkeit, welche die Gesellschaft den Feldern Ästhetik und Lifestyle zuteil werden lässt, eine wesentliche Rolle spielen dürfte. «Ob in Magazinen, auf Pinterest oder auf Instagram diese Themen sind heute allgegenwärtig.» Und der Malerberuf biete in seiner Vielfalt, die er mittlerweile aufweise, zahlreiche Möglichkeiten, sie umzusetzen.

Bei aller positiven Stimmung schlägt Barrella aber auch mahnende Töne an. Die Handwerksbetriebe seien nun noch stärker gefordert, sich zu engagieren egal in welcher Branche. «Wir müssen zusehen, dass wir die Leute erreichen.» In der Vergangenheit sei man hier viel zu wenig aktiv gewesen. Damit liegt er mit Patrick Hermann, Inhaber bei der Roman Hermann AG, auf einer Wellenlänge. Ohne Frage: Auch das Gipserei- und Gerüstbauunternehmen hat an der «Next Step» 2019 viele erfreuliche Erkenntnisse gewonnen. Der Ansatz, den jungen Erwachsenen vor Ort Material zur Verfügung zu stellen und sie mit dem Beruf unmittelbar in Berührung kommen zu lassen, sei sehr gut angenommen worden, berichtet Hermann. «Das Interesse für den Gipser- sowie den Gerüst- bauerberuf ist wieder verstärkt vorhanden.» Zugleich prophezeit er sämtlichen Handwerksbranchen aber noch viel Arbeit. Wobei der Blick zuallererst nach innen zu richten sei. «Derzeit sind es vornehmlich Einzelfirmen, welche die Initiative ergreifen», sagt Hermann. Doch es seien die Verbände, die gefordert wären. Als Kollektive könnten dann gezielt gemeinsame Anstrengungen unternommen werden  etwa eine ausgebaute Präsenz an der «Next Step»- Messe oder der Besuch von Schulen. «Wir können nicht warten, bis potenzielle Lehrlinge auf uns zukommen, wir müssen auf sie zugehen.» Wie sehr sich das lohnen kann, hat Patrick Hermann erst kürzlich erfahren  als ein junger Mann, welcher der Roman Hermann AG an der «Next Step» im Vorjahr einen Besuch abgestattet hatte, seinen Ausbildungsvertrag unterschrieben hat.