Lehrlingsmangel – ein akutes Problem

Die Bildungsstatistik 2017 offenbart, dass die Zahl der Liechtensteiner Lehrbetriebe seit Beginn der Erhebung in den Jahren 2006/07 nie tiefer lag als zuletzt: Während vor 12 Jahren noch 389 Lehrbetriebe in Liechtenstein angesiedelt waren, verringerte sich die Anzahl im vergangenen Jahr auf 303 Betriebe, die Lehrlinge ausbildeten.

Dieser Rückgang hängt unter anderem mit der ebenfalls rückläufigen Zahl der Lehrlinge selbst zusammen. 2016/17 wurden mit 1120 Lernenden 2,7 Prozent weniger Lehrlinge registriert als im Vorjahr. Der fünfjährige Mittelwert seit 2012/13 der in Liechtenstein Lernenden liegt bei 1168 Lehrlingen. Vor allem dieser Abwärtstrend sorgt in der hiesigen Wirtschaft schon jetzt für massive Probleme, die sich künftig weiter zuspitzen werden.

Situation auf dem Arbeitsmarkt verschärft sich

Die Gründe für den Rückgang an Lehrlingen in Liechtenstein zeigen sich vielfältig, weiss Ivan Schurte, Bereichsleiter 100pro! der Wirtschaftskammer Liechtenstein: «Es gibt verschiedene Faktoren, die darauf Einfluss nehmen. Die Quotenzahl über die Verteilung auf die Schulniveaus ist das eine, die demografische Entwicklung das andere.» Mit einem weiteren Blick auf die Bildungsstatistik 2017 zeigt sich tatsächlich, dass sich die Maturitätsquote im Vergleich zum Vorjahr um stolze 5,8 Prozent erhöhte. Auf den Maturaabschluss folgt üblicherweise der Übertritt an eine Universität, höhere Fachschule oder Hochschule, womit weitere Lehrstellen unbesetzt bleiben.

Laut der Liechtensteinischen Industrie- und Handelskammer (LIHK) sei dieser Fachkräftemangel vor allem im technischen Bereichen spürbar, weshalb der Fokus der LIHK in der Förderung technischer Lehren liegt. Daher ist sie auch Träger des Experimentierlabors «pepperMINT». Nicht zuletzt wegen dieser Bemühungen war es der LIHK bisher möglich, rund 420 Lernende jährlich in den LIHK-Lehrbetrieben auszubilden. Des Weiteren setzt sich die LIHK bereits seit einiger Zeit wie auch künftig aktiv dafür ein, den Stellenwert der dualen Berufsausbildung weiterhin hochzuhalten. Dies versucht sie unter anderem auch mit der «Berufs Check-Woche», die vor rund zwei Wochen zum dritten Mal mit 250 Schülern und 70 Lehrbetrieben im Industriesektor durchgeführt wurde. «Gut ausgebildete junge Berufsleute sind das Grundgerüst unserer Wirtschaft», so die Auffassung der LIHK.

Doch genau diese hiesige Wirtschaft sieht sich durch die sinkende Anzahl Lehrlinge mit Problemen konfrontiert. Das kann auch Schurte bestätigen: «Es ist ein akutes Problem, welches sich noch verschärfen wird. Momentan gehen geburtenstarke Jahrgänge in Pension und wir können nicht im gleichen Mass Fachleute liefern. Somit verschärft sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt zunehmend.»

Jede Branche könnte vom Rückgang betroffen sein

Für den Experten der Wirtschaftskammer besteht überdies ein Zusammenhang zwischen dem Rückgang an Lehrlingen mit jenem der Lehrbetriebe. «Ich denke, dass mehr Lehrstellen angeboten werden würden, wenn die Aussicht bestünde, Lernende zu finden», sagt Schurte. Dennoch gibt es zahlreiche weitere Gründe, weshalb die Anzahl Lehrbetriebe, vor allem kleine und mittlere Unternehmen, in Liechtenstein stark abgenommen hat: Während langjährige Ausbildungsbetriebe mit wirtschaftlichen Problemen oder beispielsweise mit dem Finden eines Nachfolgers zu kämpfen hatten und weiterhin auch haben, sehen sich viele Jungbetriebe mit einer hohen Einstiegshürde in die Berufsbildung konfrontiert. Das liegt laut Schurte vor allem daran, dass diese Betriebe zu spezialisiert sind oder sich den «hohen administrativen Aufwand nicht antun wollen. Ein verschwindend kleiner Anteil ist auch auf die Verbundausbildung zurückzuführen.» Somit ist die Reduktion der Lehrbetriebe nicht in einer spezifischen Branche spürbar, sondern jede Unternehmung in jeder Branche könnte davon betroffen sein.

Der zunehmende Fachkräftemangel in Liechtenstein macht sich besonders in technischen Berufen bemerkbar.